2014 loben die Stadtwerke Wolfsburg einen Wettbewerb aus, den das Leipziger Büro Schulz und Schulz Architekten für sich entscheidet. Gegenstand ist ein neues Kund:innen- und Verwaltungszentrum für die Unternehmensgruppen Stadtwerke Wolfsburg AG und LSW. Den älteren Firmensitz von 1961 gilt es damit zu komplettieren. Der Status des Baus macht es nötig, aber auch schwierig, zu brillieren: Gebaut wird neben dem phæno Science Center von Zaha Hadid.
Adresse/Anfahrt
Wolfsburger Nordkopf Tower
Heßlinger Straße 1-5
38440 Wolfsburg
Anfahrt
„Das Haus ist selbstverständlicher Teil des urbanen Lebens – es wandelt sich mit der Intensität des Lichts und erzeugt je nach Tageszeit und Wetter ganz unterschiedliche Wahrnehmungen. Es sieht immer wieder anders aus, spiegelt den Tag und erzählt Geschichten. Von der gleißenden, metallischen Homogenität in der Mittagssonne bis hin zur weichen Rasterung der rötlichen Abendsonne.“
Besonderes Augenmerk legt das Büro Schulz und Schulz Architekten auf die Plastizität ihrer Gebäudefassade. Insgesamt über 55.000 Metallschindeln hüllen Bestandsgebäude und Neubau in ein gemeinsames Kleid und wirken der potenziellen Dominanz der massiven Höhe entgegen. Die Fassade wirkt durch ihre Struktur, Tiefe und Materialität mit einer Fläche von über 4.100 Quadratmetern. Mit ihrem metallischen Äußeren spielt sie auf den Automobilstandort an.
Ausgangsmaterial für das einheitliche Fassadenkleid sind quadratische, präzise auf das Gebäuderaster abgestimmte, titansilberne Aluminiumblechschindeln, die in einer thüringischen Behindertenwerkstatt mit eigens entwickelten Falz- und Abkantwerkzeugen handgefertigt werden. Lediglich fünf unterschiedliche Schindeltypen sind verbaut: Starter, Standard, Attika, Fensteranschluss und die geschlossene Eckschindel.
Das auskragende Gebäude eröffnet einen eingerückten öffentlichen Vorraum. Den Eingangsbereich prägen übergroße helle Fliesen. Die auf Flexibilität und Offenheit angelegten internen und halböffentlichen Bürobereiche orientieren sich am Betrieb eines nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens, was dem Neubau das DGNB-Label in Gold der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen einbringt. Den 400 Beschäftigten bietet eine Dachloggia im neunten Stock einen weiten Blick über die Stadt Wolfsburg und auf das sie prägende Volkswagenwerk. Gerahmt wird der Blick durch einen freikragenden und mit Schindeln verkleideten Dachbalken.
Das an Fenstern und Türen eingesetzte Griff-Modell FSB 1232 greift gestalterisch auf Quadrat und Kreis zurück und erfüllt dabei die Anforderungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Für das Bauprojekt von Schulz und Schulz Architekten gewährleistet der Türdrücker ein einheitliches Erscheinungsbild der gesamten Architektur auch im Inneren des Neubaus. Als eleganter, funktionaler und geschmeidiger Drücker integriert er sich gut in das architektonische Konzept des Gebäudes. In silber eloxierter Ausführung passt der gewählte Türgriff sowohl zu den verbauten Bändern, Obentürschließern und Fensterrahmen in den Innenräumen als auch zur äußeren Fassade. Das Erfolgsprojekt bringt dem Büro die Nominierung des Gebäudes unter den zehn besten Bauten beim Niedersächsischen Staatspreis für Architektur 2018 ein.
Eine Identität als Autostadt hat nicht nur eine historische Entwicklung, sondern auch städtebauliche Konsequenzen. 1938 wird Wolfsburg unter dem Namen ‚Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben‘ gegründet. Das Autoland Deutschland ist zu dieser Zeit im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien noch „untermotorisiert“ und nimmt die Kampagne der NS-Organisation ‚Gemeinschaft Kraft durch Freude‘ (KdF) für ein allen erschwingliches Auto, das Konzept des Volkswagens, mit Interesse auf. Nach und nach wird das Volkswagenwerk in Wolfsburg angesiedelt und entwickelt sich zum Stolz der Stadt. Mit der Krise der Automobilindustrie in den 1990er-Jahren und dem damit verbundenen städteplanerischen Umdenken gerät das Gebiet zwischen VW-Werk und der südlich liegenden Innenstadt ins Zentrum des Geschehens.
Das Büro Schulz und Schulz Architekten schließt seinen Tower westlich an den Bestand an, zieht das Gebäude bis an die Fluchten von Heßlinger Straße und Porschestraße (Koller-Achse) vor und sorgt dort für wirksame städtebauliche Kanten. Der Hochpunkt setzt die stadträumliche Bedeutung des Nordkopfes klar in Szene. Mit seiner Metallfassade aus eloxierten Aluminiumblechschindeln wird er zum weithin sichtbaren Orientierungspunkt. Eine vier Geschosse umfassende Basis nimmt die Traufhöhen der Umgebung auf und schließt den sich aus ihr heraus entwickelnden 36 Meter hohen Turm so an die Stadtlandschaft an. Der Turm kragt dabei über die Ecke des Blocks und den Verkehrsraum der Heßlinger Straße aus.