Als das Büro O&O Baukunst seine Arbeit aufnimmt, sind die Stätten der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch über Berlin verstreut. Damit beginnt die Suche nach einem Gebäude, das sie an einem Standort vereint. Diese Suche führt Manfred und Laurids Ortner zu den früheren Ostberliner Opernwerkstätten an der Zinnowitzer Straße. Unter Wahrung des Vorgefundenen und in einer Ästhetik ‚hinter der Bühne‘ entsteht dort ein Bühnenturm und ein Café.
Adresse/Anfahrt
Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch
Zinnowitzer Straße 11
10115 Berlin
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„Wir haben den Anspruch, mit dem Gebäude als Ganzem, mit den alten und neuen Komponenten, die Hochschule als einen Ort zu schaffen, der wie eine Werkstatt funktioniert, in der man ständig improvisieren kann.“
Die Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin gilt als die beste Schauspielschule Deutschlands. Mit Nina Hoss, Lars Eidinger, Devid Striesow, Fritzi Haberlandt und Mark Waschke weist sie viele namhafte Absolvent:innen auf. 1951 in Ostberlin gegründet, trägt sie seit 1981 den Namen des Sängers und Schauspielers Ernst Busch, der unter anderem für seine Brecht-Rollen bekannt ist. Die renommierte Schauspielschule ist ein besonderes Beispiel für eine Institution, die das Ende der DDR übersteht, weiterhin als links gilt und hervorragende Künstler:innen ausbildet.
Das Büro O&O Baukunst gestaltet den Komplex für Schauspiel, Regie, Puppenspiel und Tanz auf Basis des Altbaus und zweier Neubau-Teile aus: Das 50er-Jahre-Gebäude, in dem vormals die Opernwerkstätten ihren Sitz haben, ist an der Stirnseite so aufgeschnitten, dass sich ein komplett holzverkleideter Bühnenturm einklinken kann. Als gläserne Schachtel dockt das öffentliche Theatercafé hinten an den Altbau an.
Zwischen den beiden neuen Bauteilen gelagert, führt der Haupteingang der Hochschule in ein großzügiges Foyer, dessen Verlängerung als Arbeitsstraße durch offen gestaltete Depots und Werkstätten führt. Dass Theatermachen nicht nur Kunst, sondern auch Handwerk ist, zeigt der Neubau von O&O Baukunst ganz deutlich. Mit rohen, vermeintlich unfertigen Oberflächen, dem Aufeinanderstoßen von Alt und Neu verbreitet er Werkstattcharakter im Berliner Bezirk Mitte und soll dabei sichtbar machen, wie Theater funktioniert.
Die Zugabe als Bauprinzip
Drei Leitsätzen folgen die Architekt:innen von O&O Baukunstbei ihrer Arbeit am neuen Gebäude der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch. Erstens: Das Vorleben der Räume auf eine Art erhalten und nicht alle Spuren verwischen. Zweitens: Nicht immer wieder komplett von vorne anfangen. Das heißt: Bestehendes weiterverwenden und nur abreißen, was nicht mehr zu gebrauchen ist. Drittens: Neue Baukörper dienen dazu, die Anforderungen zu erfüllen, die der alte nicht erfüllen kann.
Alt und Neu setzen sich im neu entstandenen Ensemble klar voneinander ab. Die Eingriffe halten das Vorgefundene gegenüber dem Neuen kenntlich und markieren die Hochschule als Ort des Improvisierens und Experimentierens. Auf einer Höhe von 2,30 Metern durchzieht das gesamte Gebäude eine Trennlinie zwischen Rohem und Verfeinertem. Bis zu den oberen Türkanten prägen glattere Flächen, unter anderem viele beschreibbare Tafelwände, die Flure. Alles darüber sind nur noch Rigipsplatten – nicht verputzt, nur verspachtelt. Der neue 24 Meter hohe Bühnenturm soll die Hochschule schon von Weitem als öffentlichen Ort erkennbar machen. Mit seiner blickdurchlässigen Holzverschalung, die den Schauspieler:innen auf der Bühne genügend Intimität gewährleistet und dennoch eine Ahnung des Geschehens nach außen dringen lässt, setzt sich der Turm klar von der Geschlossenheit des Beton-Altbaus ab.
Bereits in den 2000er-Jahren entwirft das Büro O&O Baukunst für FSB eine Griff-Kreation. So gelangt auch sie bei dem Projekt zum Einsatz. Mit dem Modell FSB 1159 legen Manfred und Laurids Ortner einen Griff vor, der sich durch seine sanft geschwungene, symmetrische Geometrie auszeichnet. Auch bei dem Griff-Entwurf geht es den Architekt:innen darum, mit dem Bestehenden in Kontakt zu kommen, statt aus dem Nichts zu schöpfen. Ihr Entwurf gründet auf einer Analyse historischer und zeitgenössischer Griff-Modelle und entwickelt bereits Dagewesenes zu einer eigenen Form weiter, die das Gefühl vermittelt, etwas lange Vertrautes zu greifen. Zum Wintersemester 2018 geben sich die Studierenden der neu gestalteten Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ebendiese Klinken erstmals in die Hand.
„Das Modell FSB 1159 in drei Worten: selbstverständlich, vertraut und vorhanden. […] Was da ist und was man benutzen kann, wollen wir auch benutzen und das möglichst unverändert. Wir fragen uns: Braucht es noch etwas von uns dazu, fehlt da etwas oder kann man es so lassen?“