1919 gründet Walter Gropius in Weimar eine Kunstschule und die Avantgarde der Klassischen Moderne geht in ihr 26 Jahre ein und aus. So kann das Bauhaus 2019 seinen 100. Geburtstag feiern. Die Stadt Weimar würdigt ihn mit einem eigenen Museumsbau für ihre Bauhaus-Sammlung. Sie betraut die Architektin Heike Hanada mit dem Bauhaus-Bauprojekt, die das Bauwerk im Geist der Weimarer Gründungszeit zwischen Klassizismus und Jugendstil realisiert.
Die Fassade ist sehr ruhig, eine Konfrontation von zeitgenössischen mit klassischen Elementen.
Ich verwende ganz bewusst Sockel und Attika, auch Portale und Fenster sind mit Betonrahmen gefasst. Das sind klassische Themen, noch aus der Antike herrührend.
„Wir erfüllen nicht das klassische Bild des Bauhauses, sondern versuchen, den Zwischenzustand zwischen Klassizismus, Jugendstil und der Entwicklung der Moderne aufzuzeigen. Dieser Zwischenzustand war für Gropius eigentlich entscheidend – er kam nach Weimar als Nachfolger von Henry van de Velde an eine Schule, die stark vom Jugendstil geprägt war. In relativ kurzer Zeit hat er eine neue Perspektive entwickelt – eine spannende Periode.“
Das neue Bauhaus-Museum in Weimar ist ein Statement. Es behauptet sich in schwieriger städtebaulicher Lage zwischen dem ehemaligen NS-Gauforum und dem Weimarhallenpark an einer topografischen Abbruchkante mit mehreren Metern Höhenunterschied. Heike Hanada setzt in diese zerfahrene, historisch belastete Situation einen monolithischen Kubus, leicht quer gestellt zum mächtigen Block des Gauforums. Ihm gegenüber soll er Widerstand leisten.
Das Äußere des Bauhaus-Museums strahlt Geschlossenheit und Härte aus. Dafür sorgt eine Hülle aus Sichtbeton. Waagrechte Schlitze strukturieren die Fassaden, ein Schriftzug und Lichtbänder betonen die horizontale Schichtung noch. Lediglich wenige, kleine Fenster gliedern das kompakt wirkende Haus: Es soll fragile Sammlungsstücke beschützen, teils auch vor direktem Tageslichteinfall. Aus dem Bau spricht ein befreiter Moderne-Begriff. Die Architektin setzt sich über vermeintliche modernistische Tabus hinweg und arbeitet frei mit Sockel, Attika und Gesims, mit vertikalen Öffnungen und massiven Laibungen.
Mit dieser Architektursprache knüpft Heike Hanada an die Zeit der frühen Moderne in Weimar an, als Walter Gropius das Staatliche Bauhaus als Kunstschule gerade erst gründet. Ausdrücklich fokussiert sie mit ihrem Bau nicht das Gipfeln, sondern den Anbruch der Moderne, den Moment ihres In-Erscheinung-Tretens zwischen Klassizismus und Jugendstil.
Innen sind alle fünf Geschosse fließend ineinander verzahnt, durch doppelgeschossige Lufträume und große Öffnungen in den Wänden. Das Untergeschoss öffnet sich mit einer Terrasse zum Park, der Eingang liegt eine Etage darüber und orientiert sich zum Gauforum. Kaskaden-Treppen, von Etage zu Etage leicht verschoben, verbinden die einzelnen Ebenen. Entlang einer der Fassaden verläuft die ‚Himmelsleiter‘, eine lineare Treppe, über die die Museumsgäste aus den oberen Etagen wieder nach unten gelangen können. Bemerkenswert ist auch die Materialität des neuen Museums. Die Decken bestehen aus offen sichtbaren Betonrippen, in den Zwischenräumen sind Leuchten, Lüftung und akustische Elemente montiert.
Die Betonwände lässt Heike Hanada nicht verputzen, sondern lediglich mit einer weißen Kalkschlämme überziehen. Die Architektin sieht für die Museumsräume einen Werkstatt- oder auch Industriehallen-Charakter vor – sie sollen nicht zu verfeinert oder museal wirken. Hier zeigt sich auch ihr kuratorisches Denken: In einem offenen, fließenden Raumkontinuum lassen sich inhaltliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Bereichen stärker betonen und deutlicher vermitteln als in streng gefassten Räumen. Um die produktive Ästhetik von Industrie-Gebäuden bis in die Details fortzuführen, entwickelt Heike Hanada in Zusammenarbeit mit FSB eine Sonderausführung des Türdrückers FSB 1147. Der Wittgenstein-Griff FSB 1147, ein wegweisender Entwurf aus den 1920er-Jahren, wird hierfür erstmalig in rohgeschliffenem Aluminium produziert.
Der auch als Wittgenstein-Klinke bekannte Griff nach einem Entwurf des Philosophen Ludwig Wittgenstein kommt im Bauhaus-Museum mit einer eigens entwickelten Oberfläche zum Einsatz. Das unregelmäßig strukturierte Aluminium erinnert an den Zustand von Klinken-Rohlingen, die noch nicht alle Arbeitsschritte der Fertigung durchlaufen haben. Zudem lässt die Architektin die Handhabe verlängern, um sie an die Proportionen der 3 Meter hohen Museumstüren anzupassen und sie an der monumentalen Erscheinung des Baus teilhaben zu lassen.
„Den Griff aus dem Haus Wittgenstein in Wien fand ich schon immer sehr schön, deswegen fiel die Wahl auf das Modell FSB 1147, den Wittgenstein-Griff. Für die großen, 3 Meter hohen Museumstüren habe ich die Handhabe um rund 2,5 Zentimeter verlängern lassen, damit die Proportionen stimmen.“