Bauhaus-Museum, Weimar
Heike Hanada Laboratory of Art and Architecture

1919 gründet Walter Gropius in Weimar eine Kunstschule und die Avantgarde der Klassischen Moderne geht in ihr 26 Jahre ein und aus. So kann das Bauhaus 2019 seinen 100. Geburtstag feiern. Die Stadt Weimar würdigt ihn mit einem eigenen Museumsbau für ihre Bauhaus-Sammlung. Sie betraut die Architektin Heike Hanada mit dem Bauhaus-Bauprojekt, die das Bauwerk im Geist der Weimarer Gründungszeit zwischen Klassizismus und Jugendstil realisiert.

Adresse/Anfahrt

Bauhaus-Museum, Weimar
Stéphane-Hessel-Platz 1
99423 Weimar
Anfahrt

Die Fassade ist sehr ruhig, eine Konfrontation von zeitgenössischen mit klassischen Elementen.

Ich verwende ganz bewusst Sockel und Attika, auch Portale und Fenster sind mit Betonrahmen gefasst. Das sind klassische Themen, noch aus der Antike herrührend.

„Wir erfüllen nicht das klassische Bild des Bauhauses, sondern versuchen, den Zwischenzustand zwischen Klassizismus, Jugendstil und der Entwicklung der Moderne aufzuzeigen. Dieser Zwischenzustand war für Gropius eigentlich entscheidend – er kam nach Weimar als Nachfolger von Henry van de Velde an eine Schule, die stark vom Jugendstil geprägt war. In relativ kurzer Zeit hat er eine neue Perspektive entwickelt – eine spannende Periode.“

Heike Hanada

Heike Hanada

© Ulrike Schamoni

Widerständiges Bauwerk

Das neue Bau­haus-Museum in Weimar ist ein State­ment. Es behauptet sich in schwie­riger städ­te­bau­li­cher Lage zwi­schen dem ehe­ma­ligen NS-Gau­forum und dem Wei­mar­hallenpark an einer topo­gra­fi­schen Abbruch­kante mit meh­reren Metern Höhen­un­ter­schied. Heike Hanada setzt in diese zer­fah­rene, his­to­risch belas­tete Situa­tion einen mono­li­thi­schen Kubus, leicht quer gestellt zum mäch­tigen Block des Gau­fo­rums. Ihm gegenüber soll er Widerstand leisten.

Das Äußere des Bauhaus-Museums strahlt Geschlossenheit und Härte aus. Dafür sorgt eine Hülle aus Sichtbeton. Waag­rechte Schlitze struk­tu­rieren die Fas­saden, ein Schriftzug und Licht­bänder betonen die hori­zon­tale Schich­tung noch. Ledig­lich wenige, kleine Fenster glie­dern das kompakt wir­kende Haus: Es soll fragile Samm­lungs­stücke beschützen, teils auch vor direktem Tages­lichteinfall. Aus dem Bau spricht ein befreiter Moder­ne-­Be­griff. Die Architektin setzt sich über vermeintliche modernistische Tabus hinweg und arbeitet frei mit Sockel, Attika und Gesims, mit ver­ti­kalen Öff­nungen und mas­siven Lai­bungen.

Mit dieser Archi­tek­tur­sprache knüpft Heike Hanada an die Zeit der frühen Moderne in Weimar an, als Walter Gropius das Staatliche Bauhaus als Kunstschule gerade erst grün­det. Ausdrücklich fokussiert sie mit ihrem Bau nicht das Gipfeln, sondern den Anbruch der Moderne, den Moment ihres In-Erscheinung-Tretens zwischen Klas­si­zismus und Jugend­stil.

Doppelgeschossige Lufträume verbinden die Ebenen im Innenraum des Museums © Andrew Alberts

Im Innern ein Kontinuum

Innen sind alle fünf Geschosse fließend ineinander ver­zahnt, durch dop­pel­ge­schos­sige Luft­räume und große Öff­nungen in den Wänden. Das Unter­ge­schoss öffnet sich mit einer Ter­rasse zum Park, der Eingang liegt eine Etage darüber und ori­en­tiert sich zum Gau­forum. Kas­kaden-Trep­pen­, von Etage zu Etage leicht ver­schoben, ver­binden die ein­zelnen Ebenen. Entlang einer der Fas­saden ver­läuft die ‚Him­mels­leiter‘, eine lineare Treppe, über die die Museumsgäste aus den oberen Etagen wieder nach unten gelangen können. Bemer­kens­wert ist auch die Mate­ria­lität des neuen Museums. Die Decken bestehen aus offen sicht­baren Beton­rippen, in den Zwi­schen­räumen sind Leuchten, Lüftung und akus­ti­sche Ele­mente mon­tiert.

Die Beton­wände lässt Heike Hanada nicht ver­putzen, sondern ledig­lich mit einer weißen Kalk­schlämme über­ziehen. Die Archi­tektin sieht für die Muse­ums­räume einen Werk­statt- oder auch Indus­trie­hal­len-Cha­rakter vor – sie sollen nicht zu ver­fei­nert oder museal wirken. Hier zeigt sich auch ihr kuratorisches Denken: In einem offenen, fließenden Raumkontinuum lassen sich inhaltliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Bereichen stärker betonen und deutlicher vermitteln als in streng gefassten Räumen. Um die produktive Ästhetik von Industrie-Gebäuden bis in die Details fort­zu­führen, entwickelt Heike Hanada in Zusam­men­ar­beit mit FSB eine Son­der­aus­füh­rung des Tür­drü­ckers FSB 1147. Der Wittgenstein-Griff FSB 1147, ein wegweisender Entwurf aus den 1920er-Jahren, wird hierfür erstmalig in rohgeschliffenem Aluminium produziert.

Der auch als Witt­gen­stein-Klinke bekannte Griff nach einem Entwurf des Philosophen Ludwig Witt­gen­stein kommt im Bau­haus-Museum mit einer eigens ent­wi­ckelten Ober­fläche zum Einsatz. Das unre­gel­mäßig struk­tu­rierte Alu­mi­nium erin­nert an den Zustand von Klinken-Roh­lingen, die noch nicht alle Arbeits­schritte der Fer­ti­gung durch­laufen haben. Zudem lässt die Archi­tektin die Hand­habe ver­län­gern, um sie an die Pro­por­tionen der 3 Meter hohen Muse­ums­türen anzu­passen und sie an der monumentalen Erscheinung des Baus teilhaben zu lassen.

Newsletter

Mit unseren Newsletterformaten informieren wir über Produktneuheiten und aktuelle Themen.