Das italienisch-spanische Team Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga geht 2016 in die Baugeschichte des Schweizer Kantons Graubünden ein. Die beiden Architekten gestalten den Erweiterungsbau des Bündner Kunstmuseums in Chur. Die Lage im Stadtraum entscheidet: Die Erweiterung wird kein Anbau an die historische Villa Planta, sondern ein Solitär. Die spezifische Herausforderung dabei lautet: zwei Häuser Seite an Seite zu einem Museum zu verbinden.
Adresse/Anfahrt
Bündner Kunstmuseum Chur
Bahnhofstrasse 35
CH–7000 Chur
Anfahrt
„Wir nähern uns immer auf dieselbe Weise einem Ort: Erst wollen wir ihn verstehen, dann ein Gefühl für ihn entwickeln und schließlich all das in unsere Arbeitsweise übersetzen. Wir suchen immer das Spezifische.“
Der Schweizer Kanton Graubünden ist bekannt für seine Architekturlandschaft und seine hohe Dichte an Vorzeigebauten. Eine treibende Kraft dieser Entwicklung ist der Architekt Peter Zumthor. Als er 1968 nach Chur zieht, beginnt er Kollegen wie Gion A. Caminada, Valerio Olgiati oder Bearth & Deplazes für die Stadt in den Alpen zu begeistern. An den baukünstlerischen Elan dieser Tage knüpft Estudio Barozzi/Veiga mit dem neuen Erweiterungsbau des Bündner Kunstmuseums an.
Im Falle des Bündner Kunstmuseums liegt das Spezifische in der Verbindung mit dem ‚Stammsitz‘ der Bündner Kunstsammlung, der denkmalgeschützten Villa Planta von 1876. Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga entwerfen als ihre Erweiterung einen eleganten 18 Meter hohen Kubus. Ihr Ziel: die palladianische Villa Planta umzudeuten. Die Fassade des Kubus besteht aus quadratischen Kassetten aus Stahlbeton von 50 × 50 Zentimetern. Sie nehmen direkten Bezug auf das Innere der Villa und seine ornamentalen Elemente. Die Ornamentik der Kassetten entwickelt Estudio Barozzi/Veiga eigens für diesen Bau.
Wie Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga bilanzieren, stehen großartige Gebäude in der Schweiz oft isoliert nebeneinander. Ihre Architektur hingegen soll verbinden. Ihr Ziel ist daher, ein Gleichgewicht zwischen dem Erweiterungsbau, der Villa Planta, dem Garten und der Umgebung zu bilden. Der Neubau soll zugleich eingebunden sein und dennoch über einen eigenständigen Charakter verfügen.
Die Balance von Kontext und Eigenständigkeit
Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga nehmen sich also vor, zwei Häuser zu einem Museum zu verbinden. Aus diesem Grund planen die Architekten, den Außenraum zu minimieren und die Ausstellungsräume in den Untergrund zu verlegen.
Im Innern planen die Architekten mit derselben Klarheit. Sie betten eine niedrige Glastür in einen schmalen und hoch aufstrebenden Rahmen ein. Durch sie gelangt man in das weite und lichtdurchflutete 5 Meter hohe Foyer. Ein raumhohes Fenster nach Westen stellt den Bezug zur Villa Planta her und setzt sie dabei wie ein gerahmtes Kunstwerk in Szene. Im Obergeschoss befindet sich das sogenannte Labor, eine kleine Kunsthalle innerhalb des Museums. Wechselweise werden Kunstschaffende eingeladen, um für diesen Raum neue Arbeiten zu entwickeln. Die anderen Ausstellungssäle befinden sich unter der Erde.
Zwei Treppenhäuser aus Sichtbeton führen in die Ausstellungsebenen im ersten und zweiten Untergeschoss. Hier ziehen die Architekten Beleuchtungsdecken aus zwei Schichten Fiberglas ein. So schaffen sie mit weichem LED-Licht eine gleichmäßige, dem Tageslicht ähnliche Lichtsituation. Vom ersten Untergeschoss führt eine Treppe ins unterirdische Kabinett der Villa Planta. Sie wird parallel zur Entstehung des Neubaus durch das aus Chur stammende Architekturbüro Gredig Walser saniert und auf den neusten technischen Stand gebracht. Die Verbindung der beiden Bauten wollen die Architekten so natürlich wie möglich gestalten.
Was die Türen betrifft, entscheiden sich Fabrizio Barozzi und Alberto Veiga für die Türdrücker-Modelle FSB 1035 und FSB 1031. Nach ihrem Begriff fügen sich die Drücker mit ihrem reduzierten, kantigen Design und der quadratischen Rosette nahtlos in die Formensprache der Architektur ein. Zudem entfaltet die zeitlose Eleganz der Drücker wiederum einen vermittelnden Charakter: Das Griff-Design kommuniziert zwischen beiden Bauten aus unterschiedlichen Epochen. Auf allen Ebenen und bis ins kleinste Detail setzen die Architekten sich für das erklärte Ziel ein: Sie gestalten das Museum als lebendigen Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit Kunst.