Militärhistorisches Museum, Dresden
Daniel Libeskind

Ein Keil aus Stahl, Beton und Glas durch­bricht das neo­klas­si­zis­ti­sche Arse­n­al­-Ge­bäude von 1877. Sein Urheber ist der amerikanische Star-Architekt Daniel Libeskind, seine Umgebung das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden. Der 1946 im polnischen Łódź als Sohn jüdischer Eltern geborene Architekt transformiert das Militärhistorische Museum durch seinen Umbau 2011 in eine architektonische Vergegenwärtigung deutscher Gewaltgeschichte.

Adresse/Anfahrt

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Olbrichtpl. 2
01099 Dresden
Anfahrt

„Architektur ist ein Werkzeug, mit dem sich die Menschen von ihren Gewohnheiten befreien können, von ihren lang erprobten Pfaden, von ihren schon vergessenen Denkmustern.“

Daniel Libeskind

Daniel Libeskind

© Stefan Ruiz

Das Museum als Exponat

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr richtet sich 1990 im historischen Arsenal-Hauptgebäude des Dresdener Militär-Komplexes ein. Außen präsentiert es neoklassizistische Herrlichkeit, innen Kriegsgerät aus der Sammlung der Bundeswehr: Aus diesem Grund wird der Bau 2001 zur Neugestaltung ausgeschrieben und schließlich wird Daniel Libeskind vor die Aufgabe gestellt, der öffentlichen Repräsentation staatlicher Macht eine neue Form zu geben.

Sein Bauplan sieht zunächst den Rückbau des drei­flü­ge­ligen creme­far­benen Sand­stein­-Ge­bäudes auf seine ursprüng­liche Struktur vor. Für den nach vorne hin 30, nach hinten 20 Meter hohen Neubau wird rund ein Fünftel der Gebäu­de­sub­stanz abge­tragen. Auch Teile des Gewölbes im Erd­ge­schoss werden aus dem denk­mal­ge­schützten Bau ent­fernt. Schließ­lich wird die Keil­spitze durch ein 140 Tonnen schweres, ver­glastes Stahlske­lett ergänzt.

Der Keil selbst ist aus Beton und wiegt weit mehr. Die vorne spitz zulau­fende und in die Höhe gereckte Stahl­kon­struk­tion ist im Inneren des Museums sichtbar. Außen ist sie mit Alu­mi­ni­um-Pa­neelen ver­kleidet. So bleibt sie durchlässig und erscheint trotz ihrer impo­santen Größe fili­gran. Mit dieser monumentalen Intervention bricht Daniel Libeskind die tri­um­phale Haltung des alten Arse­nals und seines säu­len­schweren Prunk-Portals. Er macht die Zerstörung des Krieges erfahrbar und exponiert zugleich das Dilemma der Institution, mit Gewalt auch ihre Bejahung auszustellen. Er nennt sein Werk: den reinsten Libeskind-Bau.

© Jan Bitter

Mit Brüchen arbeiten

Die zwei unvereinbaren Grund­risse eröffnen Raum zum Nach­denken über staatliche Gewalt und ihre gesellschaftlichen Dimensionen. Mit dem Keil bezieht Daniel Libeskind sich auf die Geschichte des Luftkriegs: Der Keil entspricht in seiner Fläche der des Bombentrichters, den Fliegerbomben zum Ende des Zweiten Welt­kriegs in die Stadt Dresden reißen. Die Spitze des Keils weist zum Stadion im Ost­ra­ge­hege, das den Alli­ierten als Erken­nungs­marke für den Abwurf der Bomben auf Dresden dient. Entsprechend gibt das vierte Geschoss des Keils mit seinem Aussichtspunkt eine Art ‚Piloten-Perspektive‘ auf den zerstörten und wiederaufgebauten Stadtteil frei und bezieht damit Dresden, den Außenraum und die Jetztzeit in die Ausstellung ein.

Auf ihrem Rundgang durchlaufen die Museumsgäste immer wieder den neuen Keil. Dort wird ihnen eine kritische Auseinandersetzung der Bundeswehr mit ihrer Arbeit gezeigt und nach Ursachen und Wesen von Kriegen gefragt. Der Bruch mit dem ursprüng­lich E-för­migen Mili­tärge­bäude ist für die museale Neukonzeption entscheidend. Während die gleichmäßige neoklassizistische Abfolge von Räumen zur chronologischen Narration drängt und Kriege als eine Kette von Begebenheiten präsentiert, die man abläuft und dann hinter sich hat, kann der Keil Krieg als grausame Totalität und fatalen Einschlag erzählen.

Im Laufe seines architektonischen Schaffens entwirft Daniel Libeskind unter anderem auch zwei Türgriffe. Eines der Modelle benennt er nach seiner Frau Nina. Nicht nur der Rang seiner Partnerin, sondern auch die innige Auseinandersetzung mit dem Medium ‚Tür‘ spricht sich in dieser Geste aus. Für das Militärhistorische Museum wählt er Türen und Fenster mit Griffen der Reihe FSB 1070 aus. Die Formensprache dieser Griffe geht auf die 1970er-Jahre zurück: Ihre runde und sym­me­trische Gestalt, kom­bi­niert mit den kreis­för­migen Rosetten, ist in zahlreichen öffent­lichen Gebäuden präsent. Das ursprünglich in 14 Farben verarbeitete Polyamid-Produkt gelangt vor allem als heiterer Farbakzent ins kollektive Gedächtnis. Und als solchen gebraucht Daniel Libeskind den Griff im Militärhistorischen Museum genau nicht. Denn: Er beauftragt die Edelstahl-Ausführung des Modells FSB 1070 für einen mit Katastrophe und Ernstfall assoziierten Ort: die stählerne Brandschutztür. Sie ist an seinem Schauplatz der Brüche und des Infernos ein sinntragendes Element. Damit bringt Daniel Libeskind die bunte und heitere Anmutung des Modells gezielt ins Wanken.

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