New Design University St. Pölten

Masterstudiengang Innenarchitektur & visuelle Kommunikation

Das O und A. Otl Aicher – aus dem Machen denken.
Ein Blick zurück und nach vorne.

Otl Aicher verstand „die Welt als Entwurf“. Für ihn war die Welt etwas, das von den Menschen aktiv und bewusst gestaltet werden muss und überhaupt erst durch aktives Machen entsteht. Deshalb wollte er dem konkreten Machen und Gestalten wieder mehr Bedeutung gegenüber dem abstrakten theoretischen Denken einräumen. Er wollte „aus dem Machen denken“ und begriff das auch prinzipiell als richtige Herangehensweise an Gestaltung und ihre Theorie. Angesichts einer Welt, die vor einer Vielzahl von Problemen steht, die eine aktive Gestaltung erfordern, vertrat er damit einen hochaktuellen Ansatz und so ist es auch heute noch lohnend sich mit dem Denken Otl Aichers auseinanderzusetzen.

Deshalb haben Studierende des Masters Innenarchitektur & visuelle Kommunikation der New Design University St. Pölten unter der Leitung von Prof. Christine Schwaiger (Architektin) und Prof. Dr. Martin Düchs (Architekt & Philosoph) die Ausstellung „Das O und A. Otl Aicher – aus dem Machen denken. Ein Blick zurück und nach vorne.“ entwickelt. Ganz im Sinne Otl Aichers ging es dabei nicht nur um eine Rückschau, sondern auch und vor allem darum nach vorne zu schauen: In eigenen Gestaltungs-Projekten haben Studierende unterschiedliche Aspekte der Design-Philosophie des wegweisenden Gestalters kritisch weitergedacht.

Die Ausstellung wurde im designforum Wien vom 27. Januar bis zum 9. März gezeigt. Ergänzend zur Ausstellung wurde die Bedeutung von Otl Aicher und seinen Thesen für heute tätige Designer und Designerinnen im Rahmen eines Symposiums am 28. Februar von ebendiesen untersucht, kritisch hinterfragt, weitergedacht, bestätigt oder konterkariert, vor allem aber diskutiert.

Gesamtkonzept der Ausstellung

Grundlegend für die Entwicklung der Ausstellung und der einzelnen Projekte darin ist eine Überzeugung Otl Aichers. Demnach haben Architektur und Design – entgegen einer intuitiven Annahme – nicht nur sehr viel mit Philosophie zu tun, sondern teilen tatsächlich das gleiche Ziel: Die Gestaltung der Welt. Man könnte im Sinne Otl Aichers (und im Übrigen auch Ludwig Wittgensteins, dessen Werk Otl Aicher stark beeinflusst hat) postulieren: Gestaltung ist Philosophie, nur gleichsam von der anderen Seite – nämlich der des Machens – aus. Wenn Gestalterinnen und Gestalter die Um-Welt des Menschen in sinnvoller und nachhaltiger Weise gestalten wollen, dann müssen sie sich, wie Philosophinnen und Philosophen, auch mit Grundfragen des Mensch-Seins auseinandersetzen. „Philosophie und Design gehen auf einen gemeinsamen Punkt zu. Philosophie im Denken, Design im Machen. Dieser Punkt ist, dass unsere Welt im Zustand ihrer Herstellung ist. Sie ist entworfen, sie ist gemacht, wir müssen im Gebrauch sehen, wie gut, wie schlecht wir sind.“ (Otl Aicher)

Anders als viele Philosophen postulierte Otl Aicher allerdings einen gewissen Vorrang des Machens vor dem Denken, wobei er stets den engen Zusammenhang von Machen und Denken betonte. In gewisser Weise forderte er aus dem Machen zu denken und praktizierte dies auch selbst. Die Ausstellung nimmt die enge Verwandtschaft von Design und Philosophie auf und ist anhand philosophischer Grundfragen gegliedert.

So ergeben sich nach einer Einführung vier Bereiche:

Was soll ich tun? – Ethik
Was kann ich wissen? / Was gibt es? – Erkenntnistheorie und Ontologie
Was ist schön? – Ästhetik
Was darf ich hoffen? – Metaphysik

Die Einzelprojekte der Studierenden sind jeweils in einem der vier Bereiche verortet und denken je einen für Otl Aicher relevanten Aspekt in der Form des eigenen Machens kritisch weiter. Das Lehrenden-Team bestand aus Martin Düchs & Christine Schwaiger (Gesamtkonzeption), Vali Köllner (Grafik), Nadia-Rapp-Wimberger (Kuratorische Studien), Birgit Schulz (Lichtgestaltung), Philipp Krummel (Ausstellungspraxis).

Was soll ich tun? – Ethik

Otl Aichers „Philosophie des Machens“ geht davon aus, dass Denken und Machen sowie Theorie und Praxis nicht nur gleichrangig sind, sondern auch voneinander abhängen. In der modernen Gesellschaft sind für ihn Machen und Denken aber in ein Ungleichgewicht geraten. Er kritisiert die Vernachlässigung des Praktischen: Das reine Denken ohne praktische Relevanz kann die Probleme der Menschen nicht lösen. Für Aicher ist dies ein erkenntnistheoretisches, vor allem aber ein moralisches Problem. Er versteht „die Welt als Entwurf“, also als etwas, das gestaltet werden muss. Daher ist die Frage „Was soll ich tun?“ nicht nur für EthikerInnen grundlegend, sondern auch für GestalterInnen.

Hier verbinden sich Design und Philosophie unmittelbar miteinander. Aichers philosophische Überlegungen sind auch eine Einführung in das moralisch richtige Gestalten, Entwerfen und Entwickeln. Sein Anspruch umfasst dabei das eigene Leben, das Zusammenleben mit anderen und mit der Natur, Gegenstände des Alltags sowie das Wohnen und selbst das „richtige Denken“. Design soll vor allem dem Praktischen und den menschlichen Lebensformen dienen; Ästhetik als solche ist für ihn nicht interessant.

Die Fähigkeit des richtigen Entwerfens und Gestaltens setzt eigenes aktives Tun und verantwortungsbewusstes Urteilen voraus.

Was ist schön? – Ästhetik

Die Frage „Was ist schön?“ ist eine der zentralen Fragen der Ästhetik. Otl Aicher hat sie jedoch als irrelevant abgelehnt. Für ihn ist Schönheit kein Kriterium gelungener Gestaltung. Er will nicht durch visuelle Reize „überreden“, sondern mit Argumenten des Gebrauchs, der Funktion und des Materials überzeugen. Nur so erhalten Entwurf und Gestaltung ihre Unabhängigkeit und werden nicht von politischen sowie ökonomischen Interessen instrumentalisiert.

Angesichts der Erfahrungen mit der Überwältigungsästhetik der Nazi-Propaganda sind Aichers Vorbehalte gegenüber Schönheit oder ästhetischer Verführung nach-vollziehbar.

Dennoch reicht schon ein flüchtiger Blick auf sein Werk, um ihn der Selbsttäuschung zu überführen.

Seine Arbeiten, von den Plakaten für die Ulmer Volkshochschule über die Gestaltung der Münchner Spiele bis hin zu den späten Werken beispielsweise für FSB, sind neben vielem anderen auch das: schön.

Was darf ich hoffen? – Metaphysik

Mit der Frage „Was darf ich hoffen?“ wird das philosophische Gebiet der Metaphysik ergründet. Gefragt wird nach dem, was jenseits (meta) dessen ist, was sich nicht durch die Erforschung der Natur (physis) erklären lässt. Dies umfasst Fragen nach Gott, einem möglichen Jenseits und der Religion. Für Otl Aicher sind metaphysische Fragen zeitlebens von großer Bedeutung. Auch in dieser Hinsicht ist er stets auf der Suche, orientiert sich an geistig-religiösen Vorbildern und ist doch auch in Fragen des Glaubens ein Selbstdenker.

Katholisch erzogen, bleibt er diesem Glauben sein Leben lang treu. Aber bereits als Jugendlicher hinterfragt er religiöse Grundsätze und gelangt durch intensives theologisches Selbststudium zu eigenen Überzeugungen. Später setzt er seine Auseinandersetzung mit Glaubensfragen fort, im Dialog mit anderen DenkerInnen. Aus seinen spärlichen Aussagen zu metaphysischen Themen kann man annehmen, dass er über die Jahre hinweg eine Art katholischen Individualismus entwickelt und auch hier scheinbar Widersprüchliches vereint hat.

Die Bereitschaft, sich mit Glaubensfragen – den eigenen und fremden – auseinanderzusetzen, ist auch heute aktuell. Hier können die Haltung, die Gedanken und das Tun Otl Aichers Vorbild sein.

Was kann ich wissen? – Erkenntnistheorie & Ontologie

Die Frage „Was kann ich wissen?“ zielt auf die menschliche Erkenntnisfähigkeit. Es geht darum zu klären, wie Menschen Sachverhalte wahrnehmen und verstehen können. Eng damit verbunden ist auch die Erkundung der eigenen Existenz, die das Modell der Wirklichkeit und das Sein an sich hinterfragt. Im Zusammenhang mit Gestaltung scheint die Untersuchung dieser Fragen auf den ersten Blick nicht naheliegend. Doch geht es dabei darum, auf welcher grundsätzlichen Ebene GestalterInnen arbeiten sollen: Soll mit der eigenen Gestaltung auf das rationale Verstehen der BetrachterInnen abgezielt oder das emotionale Empfinden angesprochen werden?

Soll mit einer Gestaltung das Wesen einer Sache gesucht werden oder geht man davon aus, dass es dieses sowieso nicht gibt, sondern nur das jeweils konkrete Einzelding und dessen Gebrauch? Otl Aicher vertritt auch hier zum Teil widersprüchliche Positionen. Auf der einen Seite geht es ihm darum, das Wesentliche der Dinge zu erkennen und zum Gegenstand seiner Gestaltung zu machen. Es scheint für ihn also einen Kern der Dinge zu geben, der durch GestalterInnen entdeckt werden muss. Auf der anderen Seite lehnt er in seinen Texten das Vorhandensein von abstrakten universalen Konzepten oder eines „Wesens der Dinge“ ab.

Ausgangspunkt jeglicher Erkenntnis ist für ihn das Konkrete und Nicht-Abstrakte, vor allem aber das Tun des Menschen. Durch das Machen, in dem abstraktes Denken und sinnliche Erfahrung miteinander verbunden sind, entsteht für Aicher Erkenntnis.

Projektergebnisse

Lackner + Grübl

Weissenböck + Steineder + Gräf

Alishahi + Zeliska

Greiner + Mattes

Kaufmann + Bruhns

Müller + Hödl

Ljubojevic + Prskavec

Satalan + Kuhn

Gafitanu + Schubert

Ecker + Steiner

Ein Blick ins Begleitbooklet

Über die NDU

Der Studiengang Innenarchitektur & visuelle Kommunikation untersucht die kommunikativen Möglichkeiten von Architektur und das räumliche Potenzial visueller Kommunikation und der damit verbundenen sozialen Gestaltungsmöglichkeiten. Die New Design University St. Pölten (NDU) wurde 2004 von der Wirtschaftskammer Niederösterreich gegründet, als ein Ort internationaler Begegnungen und lebensnaher Ausbildung im Gestaltungsbereich.

Als Spezialuniversität in den Bereichen Design, Technik und Wirtschaft, bildet die NDU kreative Gestalterinnen und Gestalter aus, die den Wandel in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft vorantreiben und sich mit zukünftigen Entwicklungen bereits heute auseinandersetzen.