Heike Hanada im Interview

Wir provozieren bewusst mit dem Bau

10.01.19

Pünktlich zum 100. Geburtstag des Bauhauses eröffnen in diesem Jahr gleich zwei neue Bauhaus-Museen: im Herbst in Dessau und das von der Berliner Architektin Heike Hanada entworfene Museum in Weimar Anfang April.

Gemeinsam mit Benedict Tonon hatte sie 2012 den internationalen Wettbewerb gewonnen. FSB traf die Architektin in ihrem Büro in Berlin zum Gespräch über Weimarer Zwischenzustände, fließende Räume und warum der Wittgenstein-Griff gut zum Bauhaus passt.

In diesem Jahr eröffnet das Bauhaus-Museum in Weimar, rechtzeitig zum 100. Geburtstag der Schule. Dadurch bekommt das Projekt viel öffentliche Aufmerksamkeit.

Wie alle Dinge im Leben hat das zwei Seiten. Auf der einen Seite ist es großartig. Ich würde mir wünschen, man bekäme für manch anderes Projekt auch nur einen Teil dieser Aufmerksamkeit. Auf der anderen Seite sehe ich die Gefahr, dass das Thema Bauhaus allgemein eher oberflächlich wahrgenommen wird – vielleicht auch zu kommerziell. Diese Verflachung wäre eher Anti-Bauhaus. Gleichzeitig denke ich aber, dass die neue Aufmerksamkeit für die Bevölkerung in Weimar sehr wichtig ist. Dort war das Bauhaus bislang kein großes Thema. Das Bewusstsein, dass das Bauhaus in Weimar entstanden ist, wächst mit dem Jubiläum gerade enorm. Es gibt eben nicht nur das klassische Bauhaus in Dessau. Die Schule hatte eine vielfältige Entwicklung und sie ist sicher mehr Idee als formaler Stil.

Wenn Sie in Weimar sind, spüren Sie da einen Stolz, den es vorher so nicht gab?

Auf dem Richtfest war das sehr deutlich zu spüren. Es gibt aber auch kritische Stimmen, weil wir mit unserem Bau bewusst provozieren. Wir erfüllen nicht das klassische Bild des Bauhauses, sondern versuchen, den Zwischenzustand zwischen Klassizismus, Jugendstil und der Entwicklung der Moderne aufzuzeigen. Dieser Zwischenzustand war für Gropius eigentlich entscheidend – er kam nach Weimar als Nachfolger von Henry van der Velde an eine Schule, die stark vom Jugendstil geprägt war. Er hatte sich zunächst Lehrer geholt, die im Geist des Expressionismus’ arbeiteten. In relativ kurzer Zeit hat er dann eine neue Perspektive entwickelt – eine spannende Periode.

Die Berliner Architektin Heike Hanada hat das neue Bauhaus-Museum in Weimar entworfen. (Foto: Ulrike Schamoni)

Wie zeigt sich dieser Zwischenzustand in der Architektur?

Zunächst einmal über das Äußere, über einen aktuellen Umgang mit dem Material Beton und der Vorfabrikation. Die Fassade ist sehr ruhig, eine Konfrontation von zeitgenössischen mit klassischen Elementen. Ich verwende ganz bewusst Sockel und Attika, auch Portale und Fenster sind mit Betonrahmen gefasst. Das sind klassische Themen, noch aus der Antike herrührend. Dieser Ansatz hatte auch schon Mies van der Rohe bewegt, als er die Nationalgalerie entwarf und dabei klassische Elemente verwendete und zugleich überformte. So wird durch die Maßstabslosigkeit des Gebäudes eine gewisse Monumentalität und Erhabenheit ausgestrahlt.

Dieses monumentale Moment zeigt das Museum als besonderes Gebäude in der Stadt?

Ja, das ist genau das Ziel. Dass man sich als Museum zeigt, dass die Menschen es als solches wahrnehmen können. Auf Wunsch des Bauherrn haben wir noch ein umlaufendes Schriftband mit dem Text „bauhaus museum“ als Relief in die Fassade eingelassen.

Wie wichtig ist das Bauhaus als Idee und als Erbe für Sie als Architektin?

Ich hatte mich schon im Studium zum Beispiel an Lehrern orientiert, die noch im Geist des Bauhauses standen, etwa John Hejduk an der Cooper Union in New York. So habe ich versucht, die Dinge immer wieder von zwei Perspektiven aus zu betrachten, sozusagen die Position zwischen Architektur und Kunst zu wechseln. Das kommt aus der Bauhaus-Idee.

Alle Fotos: Andrew Alberts

Gibt es in Ihrer aktuellen Arbeit andere Bezüge zur Bauhaus-Idee?

Was mich sehr beschäftigt, ist das fließende Raumkonzept. Bei Mies van der Rohe ist das lediglich in der Horizontalen gedacht, bei Loos geht es mit dem Konzept des Raumplans bereits in die Vertikale. Ebenso bei Le Corbusier mit seinen doppelgeschossigen Räumen. Ein wichtiges Thema gerade im Museumsbau. Deswegen gibt es im Bauhaus-Museum Weimar doppelgeschossige Lufträume, die mit Kaskadentreppen verbunden sind. So zieht sich der Weg durch das Haus diagonal in die Höhe. Die Kaskadentreppen sind eigentlich ein klassisches Architekturelement. Aber wie sie mit den Lufträumen zusammenspielen, folgt einer modern asymmetrischen und damit organischen Bewegung. In Kombination mit den versetzten Wandscheiben im Grundriss entsteht so ein fließender Raum.

Warum sind der fließende Raum und die Doppelgeschossigkeit wichtig im Museumsbau?

Weil die meisten Museumsleute und Kurator:innen heute nicht mehr nur einen klassischen, streng-gefassten Raum bespielen möchten. In einem fließenden Raum können sie inhaltliche Verweise zwischen den einzelnen Bereichen räumlich umsetzen.

Welche Ideen stehen hinter der Materialität des Bauhaus-Museums?

Es soll Werkstatt- oder Industriehallencharakter haben. Die Materialien sollen nicht verfeinert oder museal wirken, weil man sich so als Kurator, aber auch als Besucher dann freier in den Räumen fühlt. Ein Vorbild sind Museen, die in leerstehenden Industriegebäuden untergekommen sind, wie etwa die Tate Modern in London. Im Bauhaus-Museum gibt es weiße Wände, aber sie sind nicht verputzt. Wir haben den Beton lediglich mit Kalkschlämme überzogen. Die Decken bestehen aus offengelassenen Betonrippen, die Profile der Türen und Fenster sind aus einfachem, silbrig-grauem, pulverbeschichtetem Stahl. Das Hauptportal, die Aufzüge und die Tresen sind mit Galvalume verblendet, einem verzinkten Stahlblech.

Für das Bauhaus-Museum hat Heike Hanada zusammen mit FSB eine Sonderanfertigung des Wittgenstein-Drückers FSB 1147 entwickelt.

Für das Museum haben Sie mit FSB auch eine Sonderausführung entwickelt?

Genau, wir zeigen das Aluminium in seiner rohen Form. Vor Jahren hatte ich einmal das Werk besucht – damals faszinierte mich der frisch gegossene, noch unbearbeitete Rohling. Die Sonderausführung beruht nun auf dem Zustand, in dem die Griffe aus der Trovalisiertrommel kommen – darin werden sie mit zahlreichen Keramikkegeln abgeschliffen. Die unregelmäßige Oberfläche erinnert an Klinken, die schon lange in Benutzung sind. Das Schöne: Die Oberfläche wird sich über die Zeit weiter verändern.

Welches Modell haben Sie ausgesucht?

Teil des Museumsentwurfs war es, mit den Formaten und Proportionen des Hauses Wittgenstein in Wien zu arbeiten – ich denke etwa an die unglaublich eleganten, überhohen Türen. Den Griff aus dem Haus fand ich schon immer sehr schön, deswegen fiel die Wahl auf das Modell FSB 1147, den Wittgenstein-Griff. Für die großen, drei Meter hohen Museumstüren habe ich die Handhabe allerdings um rund zweieinhalb Zentimeter verlängern lassen, damit die Proportionen stimmen. FSB war meinen Wünschen gegenüber sehr aufgeschlossen.

Die Mitarbeiter:innen haben mein Ansinnen verstanden und den Prozess mit viel Geduld begleitet. Im Übrigen finde ich, dass man nicht für jedes Projekt alle Elemente neu erfinden muss. Das hätte ich auch im Kontext des bewusst gesuchten Werkstatt- und Industriecharakters als nicht angemessen empfunden. Damit hat zum Thema Bauhaus der Wittgenstein-Griff in seiner radikalen Einfachheit schlicht am besten gepasst.