Gästehaus Falkenstein, Hamburg
Charles de Picciotto
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Innen und außen verschwimmen im japaninspirierten Kleinod
Zwischen der japanischen und der „westlichen“ Ästhetik liegen philosophische Welten. Und bei aller gegenseitigen Beeinflussung und bei all der voranschreitenden Globalisierung bleibt es doch überaus interessant, sich die ganz grundlegenden Unterschiede anzuschauen. Dem Konzept des „Schönen“, wie es uns geläufig ist, das schon bei den Griechen seinen Hang zu Perfektion und Klarheit hatte und das den westlich geprägten Menschen oft so einleuchtend und selbstverständlich erscheint, steht ein japanisches „Wabi-Sabi“ gegenüber, das – unübersetzbar wie solche philosophischen Dinge oft sind – genau mit dem Gegenteil, dem Unperfekten, dem Vergänglichen und der Abnutzung durch Nutzung zu tun hat. Diesem Wabi-Sabi-Schönen liegt aufgrund seines steten Kontakts mit der Vergänglichkeit immer auch eine gewisse Melancholie zugrunde. Es misslingt oft, wenn man versucht, Ästhetiken und Bauweisen ferner Orte ungeübt zu verpflanzen, und sei es aus großer Liebe zu einem Land und seiner Kultur.
Oft verfällt man in oberflächlichen Kitsch, der keine Wirkung mehr hat und nichts aussagt. Im Norden Deutschlands, in der Hansestadt Hamburg ist aus der Liebe des Bauherren zu Japan und seinen Lebensweisen ein exquisites japaninspiriertes Kleinod aus Garten und Gästehaus entstanden.
Bei der – auch philosophischen – Rolle, die der Garten in Japan spielt, ist es nicht verwunderlich, dass der Garten und sein Landschaftsarchitekt Reiner Mertins zuerst gefunden waren. Der Architekt Charles de Picciotto kam auf Empfehlung des Gartenarchitekten hinzu und entwarf das Gästehaus samt Remise. Dem Bauherren war es wichtig, auch die bestehende Landschaft außerhalb des Grundstücks einzubeziehen, wie auch die Begebenheiten innerhalb des Grundstücks selbst zu erhalten (den alten Baumbestand, die Hanglage mit ihren sechs Metern Gefälle und sogar die Grube des zuvor abgerissenen Bestandgebäudes).
Die Baugrube wurde für einen 500m² großen Teich mit zwei kleinen Inseln und künstlichem Wasserfall am Rande eines felsigen Berghangs genutzt, der das Herzstück des gesamten Projekts bildet. Auch wenn der von Mertins entworfene Garten weder authentisch, noch philosophisch wie ein klassischer Japangarten sein will, so orientiert er sich doch an einer japanischen Grundidee, dem Schaffen unterschiedlichster Perspektiven und Eindrücke kleiner geschaffener Landschaftsszenerien. Vom wandelnden Betrachtenden ganz unbemerkt bleibt dabei die Technik, die dieses Naturparadies ermöglicht und vervollständigt. Unterirdisch liegt dem Teich eine komplexe Wassertechnik zugrunde, mit Ringleitungssystem, Skimmern, Filtern usw. Und auch die Kupferdächer der beiden Holzhäuser bedingen versteckte Anlagen, nämlich eigens angelegte Sickerschächte, die die Metallionen aus dem Regenwasser filtern, bevor dieses im Boden des Wasserschutzgebietes versickert.
Architektur und Objekt
Foto: Klaus Frahm
„Im traditionellen japanischen Haus wird die Grenze zwischen Kultur und Natur aufgehoben, Innen und Außen verschwimmen gewissermaßen durch die „Entmaterialisierung“ der Wände“, erklärt Architekt Charles de Picciotto. Das Gästehaus öffnet sich zum großen Teich hin mit raumhohen, die ganze Front überziehenden Glasschiebetüren.
Das Wasser sorgt für besondere Lichteffekte im Haus
Die über das Haus hinausgehende, mit Holzbohlen verkleidete Bodenplatte bildet eine langgestreckte Veranda, die bis ans Wasser des Teiches reicht. Zur wasserabgewandten Seite gibt sich das Haus bis auf wenige schmalgestreckte Fenster verschlossen. Auch das Dach ist nach Osten hin geschlossen, während es sich nach Westen mit einer Vielzahl kleiner dreieckiger, Dachgauben aus Eichenholz öffnet, die zusätzlich die vom Wasser geschaffenen Lichteffekte ins Haus holen. Für weitere Differenzierung des Lichteinfalls auf die Böden aus dicken Eichenbohlen sorgen japanische Shōji aus Papier, die – europäisch angewendet! – zusätzlich zur Fensterfront für Abschirmung sorgen. Auf einer Schiene verbaut, lassen sie sich je nach Lichtbedürfnis oder Intimitätswunsch verschieben.
Gemeinsam mit den Schiebefenstern können sie den kompletten Pavillon in Richtung Garten öffnen oder komplett verschließen. Die drei Räume des Hauses – Meditationsraum (Zen-dō), Wohnraum und Bad – sind durch einen offenen Durchgang voneinander getrennt und werden alle einzeln direkt von der Terrasse erschlossen. Der Holzofen der die Sauna im links gelegenen Bad mit Wärme versorgt, erhitzt ebenfalls ein Warmwasserbecken auf der Veranda. Der mittig gelegene Wohnraum ist multifunktional und japanisch minimalistisch ausgestattet. In einer in den Boden eingelassenen Nische kann man verweilen und sich zum Tee niederlassen. Bei der betont zeitlosen Architektur des Hauses passen die verbauten FSB-Beschläge perfekt ins Konzept. Das Modell 1004, das als Türdrücker für die Drehtüren und auch als Hebeschiebetürgriff (FSB 34 1004) genutzt wurde, zeigt sich schnörkellos und sachlich.
Die Beschläge passen perfekt in die kantige Architektursprache von Charles de Picciotto. Wie es der japanischen Vorstellung von Schönheit nahekommt, wurde das gesamte Bauvorhaben unter dem Aspekt der würdevollen Alterung entwickelt. Eine Patinierung über die Lebenszeit der unbehandelten Eichen- und Messingoberflächen war höchstes Ziel, so der Architekt selbst. Die Schiebetüren wurden – wie die Armaturen im Gebäude – in Bronze ausgeführt, daher fiel die Wahl klar auf Griffe in Bronze. Beschläge aus Bronze legen durch ihren Gebrauch selbst Patina an. Sie dunkeln nach und verstecken so ihren eigenen Alterungsprozess nicht. Auch das Dach soll über die Jahre Patina anlegen und ist darum mit Kupfer gedeckt. Architekt und Landschaftsgestalter haben, mit allen Einzelheiten, ein puristisches Gesamtwerk geschaffen, das – umso mehr in unserer übervollen Alltagswelt – den Betrachter einlädt mit dem Versprechen eines simplen, ruhigen und harmonischen Lebensgefühls.
Objektdetails
Fotos: Klaus Frahm Fotografie, Börnsen