Elisabeth Seidel

nightlife

„Mein Projekt begann im Grunde mit einem Barbesuch. Die Tür zu einer Bar ist eine Tür in eine andere Realität. (…) in einer Bar wirkt vieles eher diffus, surreal und verschwommen. Diese unscharfe, fast transzendente Erfahrung faszinierte mich. Ich wollte einen Türgriff entwerfen, der genau diese Atmosphäre einfängt.“

Recherche in der Bar

Elisabeth Seidel

Für die Vor-Ort-Recherche zur Eingangssituation wählte ich unterschiedliche Bars in der Südstadt Kölns zu späterer Stunde. Die Atmosphäre faszinierte mich und ich stellte fest, dass sie alle eine Art die gleichen unscharfen Lichtsituationen haben.

Rot und blau stachen am meisten heraus. Ich recherchierte nach Türen, die mit Beleuchtung versehen sind und stieß dabei auf Notausgänge. Dabei gab es ein paar Arten von Notausgängen, die mich besonders interessierten, zum Beispiel Notausgänge in Flugzeugen. Diese enthalten oft widersprüchliche Anforderungen. Sie müssen sich in Stresssituationen intuitiv öffnen lassen, aber gleichzeitig ist der Öffnungsmechanismus so komplex, dass sie nicht jeder öffnen kann.

Der Öffnungsvorgang besteht aus zwei Schritten: Erst den Deckel öffnen, dann den Griff heben und loslassen. Des Weiteren weckten Notausgänge in Gebäuden mein Interesse, von denen es unterschiedliche Arten gibt: Notausgangsverschlüsse für Privatwohnungen und Klassenräume in Schulen und Paniktüren, die in Krankenhäusern und öffentlichen Verwaltungen eingesetzt werden. Dabei muss jede Tür und jeder Verschluss von jeder Person unterschiedlichster Größe ohne Behinderung geöffnet werden können.

Wie das funktioniert? Die Türen haben ein Schloss und einen Beschlag. Beide Einheiten müssen die Tür sofort freigeben, wenn der Riegel auf der Innenseite gedrückt wird.

Griff ins Neonlicht

Für den ersten Prototyp habe ich mich mit 3D-Bildern beschäftigt. Mein Ziel war es einen Griff zu entwickeln, der die verschwommene Atmosphäre einfängt, ähnlich der Wahrnehmung bei einem 3D-Kinofilm ohne 3-D-Brille. Diese Form habe ich in drei verschiedenen Farben repliziert und leicht versetzt platziert. Das macht sie für das menschliche Auge nicht greifbar.

Die Anforderungen an die ersten Materialien waren: Lichtdurchlässigkeit, Stapelbarkeit, Varianz in Farben und Bezahlbarkeit. Bei den ersten Versuchen entschied ich mich für Hobbyglas und Folie. Nach mehreren 2D Experimenten schichtete ich mehrfach und baute den ersten Griff. Für den endgültigen Prototyp habe ich Acrylglas verwendet. Er sollte rund sein, also bog ich das Materia mithilfe von Ofenwärme. Ich begann mit einigen grundlegenden Materialtests: Es wurde geschliffen, zusammengeklebt und mit der Kantenfräse bearbeitet.

Für das erste endgültige Exemplar kaufte ich fluoreszierendes Plexiglas in Rosa und Blau. Um es rund zu machen, bohrte ich zuerst mit der Kantenbohrmaschine und schleifte dann mit einem Holzhobel den Leim der Kanten. So wurde es nicht nur rund, sondern auch glatt. Dann habe ich es mit 240er, 400er und 600er Papier geschliffen und poliert.

Es stellte sich heraus, dass das Neon-Plexiglas nicht mehr neonfarben ist, wenn es keine Kanten hat. Also verwendete ich für die zweite und endgültige Version mehr neonfarbenes Plexiglas und weniger undurchsichtiges in Rosa und Blau. Die Kanten wurden in einem 45-Grad-Winkel geschnitten, dann geschliffen und poliert. Beide Prototypen wurden anschließend im Ofen erhitzt und mithilfe einer Schablone in die richtige Form gebogen. Das musste schnell gehen, denn nach drei Sekunden außerhalb des Ofens war der Griff bereits nicht mehr biegbar.

Erste Biegeversuche im Backofen

Ganz im Sinne Aichers, nur anders

Während Otl Aicher einem sehr funktionalen Ansatz folgte und die funktionale, am Nutzen orientierte Form, die sich von allem Unnötigen befreite, als oberste Prämisse sah, möchte ich mit meinem Entwurf einen klaren Kontrast dazu bilden.

Strenge und Reduktion finden bei mir keine Berücksichtigung.

Die endgültigen Modelle während der Präsentation

Querschnitt der ersten Version, aber mit Kanten

Nach der Hobelmaschine