Elin Lucia Dobrostal

IR-O

„Greifen, Berühren, Anfassen: das Benutzen unserer Hände verunsichert uns mehr als früher. Um die Worte Otl Aichers aufzugreifen: ‚Die Hand kann nicht mehr spielen, weil sie durch unseren Verstand daran gehindert wird.”

Wenn Desinfektion zum Bedürfnis wird

Elin Lucia Dobrostal

Die Ausgangslage für meine Recherche zum Projekt „In and Out“ war ein Zitat Otl Aichers in „Begreifen mit Hand und Auge, die Sprache der Hände von FSB (2005)“: „(…) die Kultur des Denkens erfordert eine tatsächliche Kultur der Hand, verlangt, dass die Hand als subtiles, sensibles Organ behandelt wird.

Wenn die Hand sich nicht nur bei Arbeiten, sondern auch beim Spielen öffnen kann, wenn durch Berührung wahrnimmt, dann wird sich auch der Geist freier öffnen.“ Betrachtet man die letzten Jahre, so sieht man, dass sich in Zeiten von Covid Bedürfnisse verschoben und sich das Bewusstsein für Oberflächen im öffentlichen Raum, die mit der Hand in Berührung kommen, geändert hat.

Hygiene im öffentlichen Raum (wie z.B. öffentliche Toiletten) scheint wichtiger denn je, ein Mangel ist eine potenzielle Gefahr für die Gesundheit. Als Reaktion auf das gesteigerte Bedürfnis nach Hygiene und Desinfektion kam mir die Idee, einen sich sichtbar selbstreinigenden Türgriff, der Sicherheit vermittelt, zu entwerfen. Dadurch kann die Hand ihrer Funktion nachgehen und „spielen“, der Geist kann sich somit wieder freier und unbeschwerter öffnen.

Zu Beginn des Projekts wollte ich mir einen Überblick über alle Arten von Türen machen, ebenso über ihre Funktionalitäten und Anwendungen.

Das Ergebnis war eine Art Nachschlagewerk für Tür-, Garagentor- und Türgriff-Typen. Im Anschluss suchte ich in meiner Umgebung nach interessanten Eingängen, ging in einen Baumarkt, um einige Türgriffe zu testen. Später fotografierte ich verschiedene Türsituationen in Dublin, das für seine bunten Holztüren berühmt ist.

Es war interessant zu sehen, dass viele Türen Spuren von Schlüssellöchern und Türgriffen aufwiesen, die im Laufe der Zeit ausgetauscht wurden, während die Türen selbst unverändert blieben. Ein Unterschied zu Türen in Deutschland war, dass der Türknauf oft in der Mitte der Tür angebracht war.

Rotierende Hygiene

Die Idee zu meinem Entwurf kam durch meine Abneigung Türgriffe zu berühren, vor allem in öffentlichen Toiletten. Berührungsintensive Oberflächen sind oft mit Mikroben und Viren kontaminiert. Seit Covid auf der Welt kursiert hat sich dieses Problem auf alle Türklinken in öffentlichen Bereichen ausgeweitet.

Nach Gesprächen mit Freund:innen und Kommiliton:innen fand ich heraus, dass viele Menschen meine Bedenken teilen. Nach eingängiger Recherche zu bestehenden Öffnungsmechanismen ohne Berührung durch die Hand, war mir klar, dass ich Bestehendes mit Neuem verbinden wollte.

Einen traditionellen Zugriff beibehalten und einen automatischen Reinigungsmechanismus integrieren, der für Sicherheit durch Hygiene sorgt. Das Aussehen sollte sich seiner Funktion anpassen: Sauber und elegant sollte er wirken, weshalb die Elektronik versteckt werden musste.

Ich entschied mich für die Innenseite der Tür selbst. Es entstand ein kreisförmiger Türgriff, der bewegt und gleichzeitig innerhalb der Türrosetten desinfiziert werden kann. Zuvor entstanden einige Prototypen aus Modellierschaum, zusätzlich erstellte ich viele Skizzen in Rhino.

Greifen am Beispiel von Otl Aicher zur Ermittlung der optimalen Form: 1. Die rechteckige Form

Greifen am Beispiel von Otl Aicher zur Ermittlung der optimalen Form: 2. Eine abgerundete Form zum Schieben

Greifen am Beispiel von Otl Aicher zur Ermittlung der optimalen Form: 3. Kanten, die die Hand um den Griff führen

Greifen am Beispiel von Otl Aicher zur Ermittlung der optimalen Form: 4. Eine dreieckige Form zum Ziehen

Die perfekte Größe fand ich durch das Erstellen von 3D-gedruckten Modellen, die ich mit verschiedenen Personen testete. Dabei gab es einige Faktoren zu berücksichtigen. Erstens musste genug Platz zwischen dem Griff und der Tür sein. Zweitens durfte der Durchmesser des Rings nicht zu groß sein, um nicht zu viel Platz in Anspruch zu nehmen.

Schließlich fand ich die perfekte Größe: nicht breiter als ein als ein normaler Türgriff und trotzdem genug Platz für die Hand. Für die Türrosetten wählte ich eine einfache Form, um die Anwendung des Griffs zu betonen. Da in meinem Entwurf auch Elektronik involviert sein würde, beschäftigte ich mich auch mit der Technik dahinter.

Statt normales Desinfektionsmittel sollte UV-C-Licht (welches in meinem Modell durch blaue LEDs hinter Acrylglas dargestellt wird) verwendet werden, welches nicht nur umweltfreundlicher ist, sondern auch nicht nachgefüllt werden muss.

UV-C-Licht hat die Eigenschaft Mikroben durch Zerstörung ihrer DNA unschädlich zu machen. Um die Hardware zu programmieren, musste ich noch Zeitpunkt und Dauer der Klinkenbenutzung untersuchen. Dafür musste ich Strom mit einem leitfähigen Material messen, weshalb ich einen Metalldraht in mein 3D-Modell integrierte und mit einem arduino Berührungssensor verband. Die LEDs programmierte ich so, dass sie bei Berührung des Griffs aufleuchten.

Nachdem der Griff losgelassen wird, soll die Reinigung mit einer Verzögerung von drei Sekunden beginnen. Der Schrittmotor beginnt, den Griff durch die Türrosetten hindurchzubewegen. Nach halber Umdrehung stoppt der Vorgang und der Griff ist für den nächsten Nutzer:innen steril. Wenn mehrere Personen die Tür nacheinander benutzen, wird der Reinigungsvorgang angehalten und gewartet, bis der Griff einige Sekunden lang unbenutzt war.

Skizze zur Visualisierung der Funktion

Präsentation von IR-O