Alice Richter

Die Unvereinbarkeit von Kunst und Design?

Die Unvereinbarkeit von Kunst und Design? Untersuchung einer These Otl Aichers

Alice Richter

Anlässlich des Wahlpflichtfaches „Otl Aicher“, gelehrt von Prof. Haverland, habe ich mich gezielt mit Werken und Texten Otl Aichers befasst. Besonders nach der Exkursion nach Brakel zum Sitz von FSB habe ich mich näher mit den Texten Aichers auseinandergesetzt, die in den zahlreichen Publikationen der FSB - Handbücher erschienen sind. Hierbei bin ich auf folgende These gestoßen, die ich weiter untersuchen möchte:

„design ist eine kulturmanifestation gegen verzierung, künstlerische wertschöpfung und historisierende einordnung durch weltstil. ...) zwischen kunst und design gibt es eine art unvereinbarkeit, sie schließen sich aus wie feuer und wasser. die kreative intensität von design ist nicht geringer als die von kunst.

Im Gegenteil, eine sache nicht nur schön machen, sondern auch noch richtig, setzt zusätzliche kreative fähigkeiten voraus. kunst ist wertfrei. kunst ist sinnlos in dem sinn, dass sie nicht sinnvoll zu sein braucht. design wird gemessen an der sache, ihrem sinn, ihrer sozialen verträglichkeit, an ihrem technischen funktionieren und an ihrer ökonomie. auf all das kann kunst verzichten.“

Laut Otl Aicher kann bzw. muss das Handwerk von Kunst getrennt werden. Das Handwerk ist dabei als Synonym zu Design zu verstehen. Doch ist es so einfach Kunst und Design zu trennen? Und ist dies in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt noch gewünscht diese klare Trennung zu setzen?

Diese Fragen stellten sich mir, nachdem ich unter anderem die Texte „die unterschrift“ und „der nicht mehr brauchbare gebrauchsgegenstand“, geschrieben von Otl Aicher, gelesen habe.
Ich persönlich habe Design und Kunst immer als eine Familie gesehen. Als zwei gleichgestellte untrennbare Teile, die unsere Gesellschaft bereichern. Meiner Meinung nach ist der Übergang von Design zu Kunst fließend. Otl Aicher hingegen sieht in den Bereichen zwei verschiedene Dinge. Design bezieht sich auf das Handwerk. Die Urform der Entstehung alltäglicher Gegenstände. Kunst ist dagegen eher als Parallele zu sehen. Und wenn sich Kunst und Design kreuzen, entstehen die sogenannten „unbrauchbaren Gebrauchsgegenstände“. Ein Beispiel hierfür ist das Essbesteck von Ferrucio Laviani. Der Designer nahm die Gebrauchsgegenstände Messer, Gabel und Löffel und verformte sie so, dass sie nicht mehr den bekannten Formen entsprachen.

Laut Otl Aicher erfüllen sie nun nicht mehr ihren Zweck der Essensaufnahme. Sie sind daher sinnlos, was für Aicher gleichgesetzt ist mit sie sind Kunst. Es entsteht die Formel: Kunst = sinnlos

Doch ist dies der Fall? Hat nicht auch Kunst in all ihren Facetten eine Berechtigung und ihren Sinn für unsere Gesellschaft? Meiner Meinung nach ist dieses Statement nicht mehr auf die heutige Gesellschaft übertragbar. Das Handwerk hat ein neues Ausmaß angenommen. Es ist nun viel mehr als nur ein Mittel zum Zweck. Gebrauchsgegenstände wie Möbel, Leuchten und Besteck sind zu einer Form der Kommunikation, des Ausdrucks geworden. Selbst diese nicht brauchbaren Gebrauchsgegenstände haben ihren Platz gefunden. Es ist nun viel mehr eine Diskussion über Geschmack als eine Diskussion über Zweckmäßigkeit.

Vielleicht geht es aber in Wirklichkeit auch grundlegend darum was als Design und was als Kunst definiert wird. Otl Aicher selbst kommt aus dem Handwerk und hat daher eventuell ein anderes Bild davon, was es bedeutet ein Designer zu sein. Ich selbst habe mich ursprünglich mehr mit der klassischen bildenden Kunst beschäftigt, wodurch ich möglicherweise aus einem anderen Blickwinkel auf die Thematik sehe. Zusammenfassend ist wohl zu sagen, dass die gesamte Thematik spannende Fragen aufwirft und zu keinem endgültigen richtig oder falsch führt. Jeder, sei es Designer, Künstler oder Konsument, hat durch seine Interessen und Prägungen einen anderen Blickwinkel, der durchaus seine Berechtigung beinhaltet.

Projektaufgabe:

Um genau diese Diskussion zu verbildlichen, ist meine Umsetzung der Aufgabe eine „Assemblage“. Dies ist eine Weiterentwicklung der Collage und stellt eine Kunstform dar, die ihren Ursprung im Kunstzeitalter des Dadaismus/ Surrealismus setzt. Diese Kunstform stellt eine direkte Kritik der Künstler an die damalige Gesellschaft und deren Werte und Stigmata dar. Meine Assemblage besteht aus Gebrauchsgegenständen, die sich um „das Greifen“ drehen. Im Zentrum steht der Türdrücker 1045 von FSB.

Dies ist eine klassische und funktionale Ausführung eines Türdrückers, welcher genau die Werte Otl Aichers widerspiegelt. Die Firma FSB selbst stellte einen großen Teil Otl Aichers Schaffens dar. Er entwarf unter anderem das fortwährende Corporate Design der Firma und einen Türdrücker nach bestimmten Prinzipien des Greifens. Vervollständigt wird das Ganze durch weitere Gegenstände wie zum Beispiel Tastenmobiltelefone, Pinsel und Scheren, die alle für funktionale, greifbare Objekte stehen.

Es ist auch wichtig zu nennen, dass die Kunst selbst auch Otl Aicher bewegte, auch wenn dies erst zum Ende seines Lebens und im Verborgenen stattfand. Er fertigte Büsten von Hans und Sophie Scholl an, womit er doch aus der Strenge seiner Entwürfe ausbrach. Meine Absicht ist es Gebrauchsgegenstände des Greifens miteinander zu verbinden, sodass Kunst entsteht. Dies soll ein Abbild dafür sein, dass Kunst und Design aus meiner Sicht nicht klar getrennt werden können und beide unsere Gesellschaft prägen und beeinflussen.

Inspiration (1) Assemblage mit dem Kopf eines Pferdes (Schrägansicht), Künstler: Daniel Spoerri

Inspiration (2) Das Undbild, Jahr 1919, Centre Georges Pompidou, Künstler: Kurt Schwitters

Inspiration (3) Kleines Seemannsheim, Jahr 1926, Künstler Kurt Schwitters

Kasten (1) mit dem Drücker FSB 1045 (Frontalansicht)

Kasten (1) mit dem Drücker FSB 1045 mit Blick in den Kasten

Kasten (3) mit den montierten Gebrauchsgegenständen