Militärhistorisches Museum, Dresden
Daniel Libeskind
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Der reinste Libeskind-Bau überhaupt
Laut Daniel Libeskind selbst ist es der bisher „reinste Libeskind-Bau“ geworden: Dass das Militärhistorische Museum in Dresden seit seiner Eröffnung 2011 Gemüter erregt, versteht sich daher fast von selbst. Ein avantgardistischer Gebäudekeil aus Stahl, Beton und Glas durchbricht heute den Prunk des vormals einheitlich neoklassizistischen Arsenalgebäudes aus dem Jahr 1877. Einer Zeit, in der man weniger zimperlich mit der Frage nach der Moral des Krieges umging. Die Debatten, die Libeskind im diesbezüglich eher konservativen Dresden mit seinem Bau ausgelöst hat, werden ihn weder überrascht noch gestört haben. Ganz im Gegenteil: Wenn man mit Architektur etwas Neues erschaffen will, einen andersartigen Ort, weil man glaubt, dass darin auch die Chance zu einem neuen Denken und zu veränderten Vorstellungen liegt, dann darf man sich nicht scheuen, Schocks zu verursachen. Und ein Haus wie dieses, das vom Grauen des Krieges erzählt und in seinen Besuchern das Gefühl des Mitleids erwecken will, kann ohnehin nicht gefällig sein.
Der Bauplan sah als Erstes den Rückbau des dreiflügeligen cremefarbigen Sandsteingebäudes auf seine ursprüngliche Struktur vor. Für den nach vorne hin 30, nach hinten 20 Meter hohen Neubau wurde dann rund ein Fünftel der Gebäudesubstanz abgetragen. Auch Teile des Gewölbes im Erdgeschoss wurden aus dem denkmalgeschützten Bau entfernt. Schließlich wurde „die Keilspitze“ durch ein 140 Tonnen schweres, verglastes Stahlskelett ergänzt.
Der Keil selbst ist aus Beton und wiegt weit mehr. Die vorne spitz zulaufende und in die Höhe gereckte Stahlkonstruktion, die auch im Inneren des Museums zu sehen ist, wurde von außen mit Aluminiumpaneelen verkleidet und bleibt so transparent und trotz ihrer imposanten Größe filigran. Die triumphale Haltung des alten Arsenals hat Libeskind gekonnt gebrochen. Von nun an muss das säulenschwere Prunkportal mit dem alles überragenden Keil konkurrieren.
Der geradezu gewaltsame Bruch, der am ursprünglich E-förmigen Militärgebäude stattgefunden hat, setzt den gesellschaftlichen Wandel in Szene von der autoritären deutschen Vergangenheit zur liberalen Demokratie von heute. Auch im Inneren des Hauses zieht er natürlich seine Folgen nach sich und prägt mit den neu entstandenen, offeneren Formen die Museumskonzeption. Wo an der äußeren Hülle des Baus, Alt und Neu miteinander kommunizieren, durchläuft der Museumsbesucher bei seinem Rundgang immer wieder den neuen Gebäudeteil, in dem das reine Zurschaustellen von Kriegsgerät und die unkritische chronologische Perspektive vieler bisheriger Militärmuseen durchbrochen wird. Im sogenannten Libeskind-Keil wird die hässliche Seite menschlicher Gewalt gezeigt, wird der Krieg in seinem Wesen und seinen Ursachen befragt.
Architektur und Objekt
Foto: Stefan Ruiz
Laut Daniel Libeskind selbst ist es der bisher „reinste Libeskind-Bau“ geworden: Ein avantgardistischer Gebäudekeil aus Stahl, Beton und Glas durchbricht heute den Prunk des vormals einheitlich neoklassizistischen Arsenalgebäudes aus dem Jahr 1877. Einer Zeit, in der man weniger zimperlich mit der Frage nach der Moral des Krieges umging.
Architektur als Werkzeug
Durch den Gegensatz der zwei nun koexistierenden Grundrissformen wollte der Architekt einen Platz zum Nachdenken über organisierte Gewalt schaffen und den Geist der Besucher:innen für grundlegende anthropologische Fragen öffnen. Die Form des Keils, den Libeskind quasi durch das Gebäude hindurch getrieben hat, zeichnet den Bombentrichter nach, der zum Ende des zweiten Weltkriegs in den Stadtgrundriss von Dresden gerissen wurde. Die Spitze des Keils weist dabei in Richtung des Luftraums über dem Stadion im Ostragehege, das am Ende des zweiten Weltkrieges den Alliierten als Erkennungsmarke für den Abwurf der Bomben auf Dresden diente. Der Blick der Museumsbesucher vom vierten Geschoss des Keils auf die Stadt ist einer der Höhepunkte des Rundgangs.
Dresden wird hier, im Kontext des Ausstellungsbereiches Zerstörung Europäischer Großstädte, gewissermaßen selbst zum Teil der Ausstellung: das lebende Dokument einer kriegerischen Vergangenheit und dessen Wiederaufbau.
In seinen Entwürfen geht es Libeskind nie um die abstrakte Gestalt, sondern um die Menschen und die Gefühle, die Architektur erzeugt. Für ihn ist sie ein Werkzeug, um Menschen aus ihren (Denk)Gewohnheiten zu lösen. Natürlich überlässt man da auch die kleineren Dinge nicht dem Zufall. „Ich kann stundenlang über die Badezimmerfliesen oder Türgriffe in meinen Gebäuden diskutieren“, hat der Architekt einmal gesagt und auch bereits selbst einen nach seiner Frau Nina benannten Türgriff entworfen.
Im Militärhistorischen Museum in Dresden öffnen sich die Türen und Fenster mit FSB-Griffen der Serie 1070. Deren Formensprache ist spätestens seit den 70ern Teil des Designkanons, dennoch verlieren sie nichts an Aktualität und bleiben stets ungewöhnlich. Die rund und symmetrisch angelegte Gestalt des Griffes, kombiniert mit den kreisförmigen Rosetten, stellt sich nicht in den Vordergrund, wirkt dennoch nie belanglos und eignet sich gerade deshalb besonders für öffentliche Gebäude.
Objektdetails
Fotos: Jan Bitter