Heilig-Geist-Kirche Dillweißenstein
Werkbüro für Raumfragen
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Mehrfachnutzung einer Kirche
Ein Ort, der Heimat ist und Begleitung – kann das ein Kirchenbau heute sein? Einen solchen Ort für die Gemeinde zu schaffen, war jedenfalls das Ziel des Werkbüros für Raumfragen beim Entwurf für die Innenrenovierung und die damit einhergehende Mehrfachnutzung der Heilig-Geist-Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Dillweißenstein. Die Gemeinde entschied sich bewusst dafür, die Kirche zu verkaufen und mit dem Gemeindehaus zusammenzulegen. Nur ein Beispiel unter vielen, in einer Zeit, in der die meisten Gemeinden an Mitgliedern verlieren und somit auch an finanziellen Mitteln, um ihre Häuser zu pflegen.
Die Entscheidung, das Gemeindeleben fortan im Kirchengebäude selbst zu verorten, ist mutig und außergewöhnlich. Und so ist auch der erste Blick in das überarbeitete Kirchenschiff überraschend. In einem strahlend weißen Raum, mit geradlinigen hellen Holzeinbauten und einer gestrichenen, abgehängten Decke stehen zu einladenden Gruppen arrangiert Sessel und Sofas in freundlichen Blau-Grautönen.
Die Sessel und Sofas reflektieren den Ansatz als Ganzes – eine sehr alte Institution geht hier neue Wege. Und die Architektur tut, was sie im besten Fall immer tut: Sie eröffnet Möglichkeiten.
Die neuen Räume zeichnen sich durch ihre besondere Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Situationen aus. Seit der Fertigstellung 2018 hat die Gemeinde durch unterschiedliche Formate bewiesen, dass sie den neu entstandenen Ort zu nutzen weiß, für kleine Begegnungen beim Café, multimediale Konzerte, gesellschaftspolitische Diskussionen oder „j.base“-Gottesdienste der Jugendkirche mylight.
Architektur und Objekt
Foto: © Stephan Baumann
„Die Gratwanderung zwischen einer Überanspruchung des schlichten Wiederaufbaus der Nachkriegszeit und der Erfüllung der neuen Nutzungsanforderung, zwischen Flexibilität und Spezifität scheint uns die entscheidende Hürde bei der Bewältigung der Aufgabe zu sein“, so die Architekt:innen vom Werkbüro für Raumfragen.
Eine neue Zeitschicht
Das Kirchengebäude war in seiner Form bereits ein Produkt unterschiedlicher Epochen. Das Hauptschiff des ursprünglich barocken Baus wurde nach einer Zerstörung in veränderter Form wieder aufgebaut. Der jetzige Eingriff positioniert sich bewusst als Weiterbau einer Architektur in Veränderung. Als neue Zeitschicht zieht die neue Handschrift behutsam und ohne große Eingriffe in den Bestand in das Kirchenschiff ein. Drei neue bodentiefe, schlanke Fenster zur Straße hin kündigen die Veränderung in der Stadt an und sind vom Rhythmus der alten Fenster inspiriert. Dahinter eröffnet sich ein neuer, flexibel abtrennbarer Raum für Kindergottesdienste, Kirchencafé oder als Vorraum bei Konzerten, der über eine Leichtbaukonstruktion in den Sakralraum integriert wurde.
Bei geöffneten Türen wird der Kirchenraum durch die neuen Fenster zusätzlich in seiner Längsachse betont. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, den neuen Raum seitlich zu öffnen und so bei Veranstaltungen eine Querachse zwischen Vorplatz und Kirchengarten zu schaffen. Die Empore bildet halbrunde Balkone aus und bietet Platz für zusätzliche 70 Personen. Ihre minimalistischen sechs konstruktiven Stützen deuten eine Gliederung in Haupt- und Seitenschiff an. Die schlichte Türdrückergarnitur FSB 1163 passt zur modernen Gestaltung der neuen Kirchenräume. Die Griffe werden in ihrer Materialität zum Vermittler zwischen den unterschiedlichen Zeitschichten. „Die Bronze vermittelt schon bei Herunterdrücken des Griffs, dass man es mit einer schweren Tür zu tun hat.
Das Material korrespondiert mit der Farbigkeit und der ‚Tiefe‘ der Türen“, so Architekt Peter Horejs vom Werkbüro für Raumfragen. Sein realisiertes Konzept ist so zeitgemäß wie schön – von der Idee bis zur Umsetzung –, dass man sich wünscht, andere kleine Gemeinden werden inspiriert.
Objektdetails
Fotos: © Stephan Baumann