Museum Peter August Böckstiegel, Werther

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Eingebettet in die Landschaft

Fährt man zum Böckstiegel-Museum in Arrode, verlässt man die Großstädte und begibt sich aufs Land. Bielefeld, Werther, raus in die Landschaft, wo vereinzelt stehende Höfe die Bebauung prägen. Sanfte Hügel, Wälder, kleinteilige Felder. Das alles hat Peter August Böckstiegel, herausragender Vertreter des westfälischen Expressionismus, in seinen Werken gemalt. Gemälde der Landschaft und ihrer Menschen. Die vom bäuerlichen Leben geprägten Gesichter und Körper, die Kornstiegen auf dem Feld, die Schnitter. Als Sohn ländlicher Bauern hat er gemalt, was ihn seit Kindertagen umgab. Der 1889 in Arrode geborene Maler, Grafiker und Bildhauer studierte zwar in Bielefeld und Dresden, kehrte aber nach der Zerstörung seines Ateliers und vieler seiner Werke 1945 in das Haus seiner Eltern zurück, wo er 1951 starb. Er gehörte der „Dresdner Sezession Gruppe 1919“ um Otto Dix und Conrad Felixmüller an. Auch seine Werke wurden im Dritten Reich als entartet diffamiert.

Bisher diente Böckstiegels Geburtshaus als Ausstellungsort. Das Elternhaus hatte sich Böckstiegel zu einem Künstlerhaus mit Atelier umgebaut. Verzierungen an den Balkenkonstruktionen und Mosaike an den Außenwänden schuf Böckstiegel selber. Das Haus stand der Öffentlichkeit offen, um sich Leben und Werk des expressionistischen Malers zu nähern. Als richtiges Ausstellungshaus war es jedoch stets zu klein. Schließlich brachte die Böckstiegel-Stiftung als Eigentümerin des Hauptwerks Bewegung in die Sache und schrieb einen Wettbewerb aus. Seit August 2018 steht dem Künstlerhaus nun ein echtes Museum zur Seite, das in wechselnden Ausstellungen sowohl Böckstiegels Nachlass als auch Werke seiner künstlerischen Weggefährten zeigt. Der Neubau soll dazu beitragen, die Bedeutung des Künstlers in Erinnerung zu rufen, der in der Weimarer Republik mit zu den wichtigen Vertretern des späten Expressionismus zählte.

Genau wie der Künstler es war, dem es gewidmet ist, ist der Neubau des Böckstiegel-Museums in die landwirtschaftlich geprägte Umgebung eingebettet und dennoch auffallend modern. So setzt es einen, an diesem Ort unerwarteten Kontrapunkt zum denkmalgeschützten Künstlerhaus. Dabei steht es im sichtbaren Kontakt zum Bestandsbau, hält aber dennoch bewusst Abstand und orientiert sich stattdessen nach oben zur Straße hin. In der Ausschreibung des Wettbewerbs war die städtebauliche Lage offengehalten worden, die gesamte Obstwiese stand als Standort zur Verfügung. Beim Anblick der landschaftlichen Idylle und des ländlich geprägten Böckstiegel-Hauses war den Architekten von habermann.decker.architekten sofort klar, dass sie eine Konkurrenz der beiden Gebäude auf alle Fälle vermeiden wollten.

Architektur und Objekt

Christian Decker und André Habermann
Foto: Max Brunnert, Düsseldorf

„Während sich der Baukörper in den Landschaftsraum hineinduckt, überrascht im Inneren der polygonale Ausstellungsraum, der sich über kleine und große Fenster nach außen hin öffnet. Der Museumsbau vermittelt, formal abstrahiert, den für Böckstiegel so wichtigen Bezug zur Landschaft und bäuerlichen Arbeits- und Lebenswelt“, so die Architekt:innen.

Architektur und Natur – Ein Museumsbau als Findling

Auch er habe als Kind das vor Augen gehabt, was Böckstiegel in seinen Bildern festgehalten hat, so Architekt André Habermann. Den Großvater mit der Sense bei der Kornernte beispielsweise. Und womöglich auch die für das Ravensburger Hügelland so typischen Findlinge – aus den Eiszeiten hinterlassene, einzeln liegende Steine von zum Teil enormer Größe, die durch die Naturgewalten zu besonderer Form geschliffen wurden. Wie ein solcher Findling schält sich das neugebaute Museum aus dem Wiesenhang vor Böckstiegels Künstlerhaus heraus. Starke Faltungen in der Außenhaut und die unsymmetrische Dachgeometrie verleihen dem eingeschossigen Monolithen Plastizität. Verstärkt wird dies durch die tief in den Baukörper eingeschnittenen Öffnungen mit ihren angeschrägten Laibungen. Aus den Innenräumen ergeben sich besondere Blickachsen in den Außenraum. Draußen ergeben sich kleine überdachte Bereiche.

Der polygonal geformte Betonbau ist bis über die Traufe mit Muschelkalkplatten verkleidet, wodurch der Verweis auf einen natürlich geformten Gesteinsblock noch gestärkt wird. Aus Kostengründen konnte das Dach nicht aus dem gleichen Material gefertigt werden, was natürlich konsequent gewesen wäre. Die nun für das Dach verwendete helle Teerpappe ist aber womöglich genau die richtige Wahl in diesem ländlichen Umfeld und angesichts des Künstlers, der zeitlebens nicht in Wohlstand leben konnte, sondern vor seinem tatsächlichen Durchbruch verstarb. Im Inneren überrascht hinter einer schweren Eichentür die Ausstellungsfläche als hoher, strahlender, fast kathedralenartiger Raum. So ist wahr geworden, wovon Peter August Böckstiegel zu Lebzeiten nur hatte träumen können: Ein eigenes Museum für seine Kunst. Der Museumsleiter David Riedel verweist darauf, dass der Maler seine Gemälde natürlich nicht für sein Elternhaus, wo sie lange Zeit hingen, sondern speziell für der Kunst gewidmete Räume, wie Museen und Galerien, gemalt hatte.

Alle Fenster, Möbel und Einbauten sind aus heimischem Eichenholz gefertigt. Bronzene Beschläge von FSB ergänzen das Materialkonzept. „Die eingesetzten Materialien unterstreichen den bodenständigen Charakter des Gebäudes und entwickeln mit der Zeit und durch den Gebrauch eine Patina mit besonderem ästhetischen Reiz. Ziel war es, die Beschläge mit den Eichenoberflächen als zusammenhängende Einheit zu begreifen und keine zusätzlichen Akzente zu setzen“, so die Architekt:innen selbst. Unter anderem wurden im Museumsneubau der Türdrücker FSB 1164 und der Türknauf FSB 23 0829 verbaut. Griffe, die die Architekt:innen, als kraftvoll, schwer und wertig beschreiben. In der westfälischen Provinz ist mit dem Böckstiegel-Museum ein kultureller Leuchtturm mit architektonischer Strahlkraft entstanden, der im besten Fall auch dazu beiträgt, den Maler Böckstiegel, der einigen noch als „Bauernmaler“ gilt, neu zu entdecken und sein vielfältiges Werk aus der rein regionalen Bedeutung herauszuholen.

Objektdetails

Fotos: © Olaf Mahlstedt

Standort

Museum Peter August Böckstiegel / Böckstiegel-Haus

Schloßstraße 111
33824 Werther (Westfalen)

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