Nikolaus Goetze im Interview
Es war weitaus intensiver als gedacht
Nikolaus Goetze ist Partner und Büroleiter bei gmp Architekten und damit ein gefrager Mann, der um die Welt reist. Doch für die Arbeit an der neuen Produktfamilie FSB 1244 hat er sich Zeit genommen, um sich mit den Besonderheiten von Klinken auseinanderzusetzen. Ein Interview mit FSB über die Gestaltungsphilosophie von gmp, inspirierende Maßstabswechsel und warum es so lange dauert, einen guten Türgriff zu entwerfen.
Als Partner bei gmp planen Sie Projekte im großen Maßstab: ganze Städte, Stadien, Hochhäuser oder Messegelände. Was hat Sie daran gereizt, einen so kleinen Gegenstand wie einen Türgriff zu entwerfen?
Generell reizt uns das holistische Arbeiten. Wir wollen uns nicht spezialisieren auf Flughäfen oder Einfamilienhäuser, sondern durch den Maßstabswechsel mit vielen unterschiedlichen Themen zu tun haben.
Unser Interesse kommt auch daher, dass wir permanent mit solchen Gegenständen zu tun haben – mit Leuchten, mit Spülen, mit Türklinken. Wir kennen den Kanon der existierenden Objekte, wir wissen, wo die Schwächen liegen. Oder wir verspüren eine gewisse Sehnsucht nach etwas, was es noch gar nicht gibt. Dann entwerfen wir manchmal einen Gegenstand selbst. Wir nehmen gerne den Kontakt zu Unternehmen wie FSB auf, um gemeinsam etwas zu entwickeln. So können wir beide Welten zusammenbringen, unsere Vision und die praktische und handwerkliche Seite der Produktion.
Was interessiert Sie konkret an der Türklinke?
Eine Türklinke ist etwas sehr Haptisches. Viele Dinge in unserer Umwelt berühren wir kaum, wir sehen sie und sind froh, wenn sie funktionieren. Die Klinke dagegen fällt einem schon durch das häufige Berühren auf. Man merkt schnell, ob sie gut ist oder nicht. Außerdem staunt man immer wieder, wie viele Klinken es in einem Gebäude tatsächlich gibt. Darin liegt der Reiz einer Türklinke: Sie soll nicht auffallen, aber gefallen und zudem noch funktionieren. Das ist eine große Herausforderung.
Es hat Ihnen also Spaß gemacht, herauszufinden, worauf es Ihnen bei der Klinke ankommt?
Ja, das hat es. Ich erinnere mich an die Ausstellung zur Architekturbiennale Venedig 2014, in der FSB die Geschichte der Türklinke aufgearbeitet hat. Da wunderte ich mich, wie viele Architekt:innen und Designer:innen sich mit diesem Thema bereits befasst hatten: Und jetzt willst du auch noch einen Beitrag liefern? Wird das gutgehen?
Aber wir haben schnell gemerkt, dass wir es aus unserer Philosophie heraus, Form Follows Function und Reduktion, es vielleicht doch schaffen, noch etwas beizusteuern, was das Vorhandene ergänzt – obwohl es schon so viele gute Produkte gibt. Das war unser Thema in der Zusammenarbeit mit FSB: einen sehr reduzierten, zurückhaltenden Türgriff zu entwerfen, der auf den ersten Blick nicht auffällt. Der einem aber dann, wenn man ihn in die Hand nimmt, gefällt und neu erscheint. Ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.
Was macht Ihren Türdrücker konkret aus – sowohl in der Form als auch in der Ergonomie?
Wenn man in Zeitlupe aufnehmen würde, wie eine Hand eine Klinke greift, dann sähe man zuerst, wie der Daumen die Klinke berührt. Danach kommt der Zeigefinger, der die Klinke aktiv bewegen will. Und zuletzt das Greifvolumen, also wie die Hand auf dem Griff liegt und ihn herunterdrückt.
Diesen Ablauf muss man in eine geometrische Form fassen, was wir mit rund-elementaren Formen gemacht haben. Der Griff entspringt der Tür in Form eines Kreises, als Rohr. Im Griff selbst wird das Rohr halbiert zum Halbkreis, der wiederum durch ein halbes Quadrat ergänzt wird. Wir arbeiten mit simplen geometrischen Mitteln, Kreis und Quadrat.
Lediglich da, wo der Zeigefinger aufliegt, haben wir der Haptik wegen eine Mulde ausgearbeitet, um den Griff handschmeichelnd zu machen. Damit man ihn fest greifen kann, etwa im Notfall. Das war unser Ziel: Aus der Haptik heraus mit wenigen geometrischen Mitteln einen Griff zu entwerfen.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit FSB erlebt?
Ich war erstaunt, dass es so viel Zeit in Anspruch nimmt, einen Türgriff zu entwerfen. Letztendlich lief der Entwurfsprozess fast wie bei einem Großbauvorhaben ab. Zuerst haben wir uns mit Varianten auseinandergesetzt,
dann haben wir den Entwurf für die Produktion immer wieder evaluiert. Kann man den überhaupt so bauen? Kann man ihn in Edelstahl bauen? In Aluminium? Wie kann er variiert werden für all die Ableitungen, die so eine Entwurfsfamilie umfasst, etwa für Panikbeschläge? Ich habe einen riesengroßen Respekt nach dieser Zusammenarbeit mit FSB.
Was für eine lange Entwurfsgeschichte hinter einer Klinke steht! FSB hat eine große Erfahrung, die sie an uns weitergegeben haben. Und ich denke, sie waren wiederum von uns angetan, wie wir mit wenigen Mitteln ihren funktionalen Anspruch erfüllen wollten. Es war weitaus intensiver, als ich mir das vorher vorgestellt hatte. Ich fand die Zusammenarbeit toll.
Die Klinke hat den kleinsten und auch den menschlichsten Maßstab im Gebäude. Wie sehen Sie das Verhältnis von der Architektur zu den Produkten, zur Klinke oder Leuchte oder Armatur?
Man muss sicherlich Hierarchien bilden in der Auswahl von Produkten. Ein Produkt, dass sich so häufig wiederholt wie eine Türklinke sollte einen anderen Anspruch an Reduktion haben als etwa eine Eingangsleuchte oder eine Leuchte über einem Konferenztisch.
Die darf weitaus mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wenn ein Türgriff zu auffallend und zu „schön“ ist, man ihn im Haus dann aber hunderte Male sieht, dann ist man sehr schnell übersättigt. Je bescheidener, desto besser. Nach solchen Hierarchien entscheiden wir uns generell, wenn es um die Produkte geht. Ein vergleichbares Beispiel ist die Büroleuchte, die es in einem Gebäude ebenfalls viele Male geben kann.
Auch da geht es um gute Funktion und ein schönes Erscheinungsbild, ohne zu „laut“ zu sein. Worauf wir außerdem achten, ist die Wertigkeit. Wie lange hält eine Türklinke, die ja extrem beansprucht wird? Funktioniert sie nach Monaten, nach Jahren noch immer wie am ersten Tag? Sowohl funktional als auch ästhetisch? FSB ist mit seiner Technik und seiner Erfahrung für uns da in einer absoluten Vorreiterrolle.