Nicola Borgmann im Interview

Mich interessiert, was hinter den Projekten steht

23.08.17

Nicola Borgmann ist Leiterin der Architekturgalerie München, Architektin, Kunsthistorikerin, sie unterrichtet seit mehreren Jahren an unterschiedlichen Hochschulen und schreibt regelmäßig Beiträge für verschiedene Medien. Sie sagt von sich selbst, sie sei „ziemlich rund um die Uhr“ beschäftigt und wirkt dabei kein bisschen müde. Auf meine erste Frage, wann ihr Arbeitstag morgens beginne, antwortet sie: „Sie sollten besser fragen, wann er abends endet.“ Ein Gespräch über das Ausstellen als Kunstform, die Pläne für den Hochbunker am Viktualienmarkt und die Geschichten hinter den Bildern.

Frau Borgmann, welchen Themenschwerpunkten widmen Sie sich als Architektin, welchen als Dozentin, und worauf liegt der programmatische Fokus in der Galerie?
Im Büro widmen wir uns vor allem dem Machen von Ausstellungen, dem Messebau und der städtebaulichen Beratung. Mit den Studierenden arbeite ich unter anderem am Thema der städtebaulichen und architektonischen Resilienz. Wir untersuchen, wie man eine Stadt und ihre Bewohner:innen vor Katastrophen aller Art schützen und widerstandsfähig(er) machen kann. Die Veranstaltungen in der Galerie wiederum suche ich aus nach Kriterien der Aktualität und Relevanz in Hinblick auf die momentanen Debatten in Architektur und Stadtplanung. Wichtig ist mir, internationale sowie Münchener Themen zu zeigen und zur Diskussion zu stellen. Ein weit vorausplanendes Programm gibt es nicht. Die Attraktivität der Galerie liegt für mich in der schnellen Reaktion.

Was schätzen Sie besonders an der Vielfältigkeit Ihrer verschiedenartigen beruflichen Tätigkeiten?
Neben den zahlreichen Anregungen und den vielen schönen Begegnungen schätze ich es, die verschiedenen Tätigkeiten miteinander zu verbinden, also etwa meinen Studierenden die Gelegenheit geben zu können, ihre Arbeitsergebnisse in einer Ausstellung zu zeigen oder auf Messereisen neue Ausstellungsthemen aufzuspüren. In der Architekturgalerie und an der Hochschule kann man vieles „durchspielen“, was man im Büro nicht realisieren könnte.

Sie sagt von sich selbst, sie sei „ziemlich rund um die Uhr“ beschäftigt: Nicola Borgmann, Architektin, Galeristin und Dozentin aus München (Porträt: Saskia Wehler)

Gibt es Ideen, Visionen für die Galerie?
Ich wünsche mir eine noch belebtere Örtlichkeit. Ich finde es für jede Stadt wichtig, Treffpunkte für Architektur-, Stadt- und Designinteressierte zu haben, Orte, an denen man sich unabhängig von einer Ausstellung gerne aufhält.

Und so ein Ort könnte für Sie das Zentrum für Architektur Stadt und Design im Hochbunker an der Blumenstraße werden?
Richtig. Der Bunker liegt in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und Stadtmuseum am Viktualienmarkt mitten im Stadtgeschehen. In Kooperation mit dem Planungsreferat München wollen wir dort eine Dauerausstellung über die Stadtentwicklungsgeschichte mit einem Stadtmodell Münchens zeigen. Die Architekturgalerie soll das Programm mit Wechselausstellungen, Vorträgen, Buchpräsentationen und Diskussionen vorwiegend thematischen Charakters komplettieren. Um noch mehr Menschen anzusprechen, beabsichtigen wir, neben den Veranstaltungen einen Handapparat zu installieren und ein kleines Café zu betreiben. Bis dahin ist es aber noch ein gutes Stück Weg. Insbesondere müssen wir noch die Verantwortlichen der Denkmalpflege von den erforderlichen Umbauarbeiten überzeugen.

Lassen Sie uns noch etwas über das Ausstellen von Architektur sprechen. Die Kuratorin und Autorin Margareth Otti stellt in einem ihrer Artikel die Frage, wie der Elefant in den Kühlschrank beziehungsweise die Architektur in das Museum oder die Galerie zu bekommen sei? Sie fragt nach den kuratorischen Möglichkeiten oder gar Notwendigkeiten, die Hürden der Distanz, der Isolation und des Maßstabs zu überwinden.
Mich interessiert, was hinter den Projekten steht. In einer Ausstellung lässt sich so viel mehr erzählen als das, was das gebaute Objekt darstellt und zeigen kann. Mein Ziel ist es, neue Perspektiven zu öffnen, indem ich mit den Beteiligten nach den Geschichten hinter den Architekturen und Stadtplanungen suche. Die herauszuarbeiten in einer Welt, die in großen Teilen von Bildern geprägt ist, das macht die Arbeit spannend.

Bild 1 von 11: Der Hochbunker in der Münchner Blumenstraße während des langen Preview-Wochenendes im November 2016. (Foto: Saskia Wehler)

Bild 2 von 11: Ausstellung „MAKE SENSE. White Arkitekter“, 2017 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 3 von 11: Ausstellung „SOM Skidmore, Owings & Merrill. The Engineering of Architecture“, 2016 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 4 von 11: Ausstellung „Die Kunst der richtigen Distanz. gmp von Gerkan, Marg und Partner“, 2016 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 5 von 11: Ausstellung „NORIHIKO DAN ARCHITECTS. Symbiotic Thoughts of Architecture“, 2015 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 6 von 11: Ausstellung „Henning Larsen Architects. What if..? Architektur im Dialog“, 2012 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 7 von 11: Ausstellung „YES IS MORE. BIG Bjarke Ingels Group“, 2011 (Foto: Pk. Odessa Co)

Bild 8 von 11: Die aktuelle Ausstellung „Landschaft Stimmung. Ein Stadtpark an der Donau“ ist noch bis zum 16. September 2017 zu sehen. (Foto: Saskia Wehler)

Bild 9 von 11: „Landschaft Stimmung. Ein Stadtpark an der Donau“, 2017 (Foto: Saskia Wehler)

Bild 10 von 11: Ausstellung im Sommer 2017: „The Why Factory. Research, Education and Public Engagement (2007-2017)“ (Foto: Saskia Wehler)

Bild 11 von 11: „The Why Factory. Research, Education and Public Engagement (2007-2017)“ (Foto: Saskia Wehler)

Ist das Erarbeiten einer Ausstellung nicht gleich dem Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit? Ausgangspunkt ist die These. Die Präsentationsformen und die Medien werden sorgfältig recherchiert und ausgesucht. Je nach Fragestellung und abhängig von den eingesetzten Medien lässt sich die Erzählung lenken.
Das begreife ich als den wissenschaftlichen Aspekt, gleichzeitig gibt es einen sehr praktischen, visuellen und räumlichen. In der Galerie gilt es auch den Raum selbst zu bearbeiten, ihn so zu gestalten, dass er mit den Inhalten korrespondiert. In Form einer Installation eigenen Charakters werden inhaltliche Themen oder die Arbeit eines Büros dargestellt.

Kann die Ausstellung als eigener Entwurf verstanden werden?
Genau.

… und somit das Ausstellen von Architektur als eine eigene Kunstform?
Die Ergebnisse sind eigene Kunstwerke, auf jeden Fall – aber natürlich immer nur temporäre, die wir mit Katalogen und Dokumentationen begleiten.

Wie stark sind die Einflüsse von Architekturschauen auf den Diskurs über die Disziplin?
Durch eine Ausstellung lassen sich Themen, Fragen und/oder Erkenntnisse gut kommunizieren und leichter nach außen tragen. Sie sind wichtiger Bestandteil der Architekturforschung und ein zentrales Mittel, die Öffentlichkeit für eine Sache zu sensibilisieren.

Gibt es eine Lieblingsausstellung aus dem Galerieprogramm?
Das ist so ein bisschen wie die Frage nach den Lieblingskindern. (lacht) Es ist tatsächlich so, man mag sie alle gern. Ein Highlight ist es, wenn man merkt, dass man die heranwachsende Generation für ein Thema begeistern konnte, wie beispielsweise mit dem 94-jährigen Visionär Yona Friedman vor kurzem, oder als Winny Maas (MVRDV) einen fulminanten Vortrag hielt. Und natürlich freue ich mich, wenn es gelingt, weltweit planende Büros wie SOM zu gewinnen, ihre erste Ausstellung überhaupt bei uns zu machen. Besonders schön ist auch, dass mit vielen Aussteller:innen eine weitere Zusammenarbeit und Freundschaft besteht.

Liebe Frau Borgmann, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.
Ich danke Ihnen und FSB für Ihr Interesse!

Bis zum 16. September läuft in der Architekturgalerie eine Ausstellung über den Donauraum bei Ingolstadt, darauf folgt die Ausstellung des türkischen Büros Tabanlıoğlu Architects „Stage_0 travelogue“. In der Vorweihnachtszeit darf man sich auf eine Ausstellung mit dem norwegischen Büro Snøhetta freuen.