„Eine Türklinke ist wesentlicher Bestandteil der Architektur.“

Interview mit Matteo Thun und Antonio Rodriguez

03.04.22

Mit Leichtigkeit und Eleganz: Der italienische Architekt Matteo Thun und sein spanischer Büropartner Antonio Rodriguez haben mit FSB 1285 eine so einfache wie schwungvolle Griff-Familie entworfen. Im Interview erzählen sie, warum sie auch der kleine Maßstab interessiert, welche Materialien sie meiden und wieso sich eine Klinke nicht aggressiv anfühlen sollte.

Herr Thun, Herr Rodriguez, den Begriff Nachhaltig-keit mögen Sie gar nicht ...

Matteo Thun: Wir sprechen lieber von ästhetischer und technischer Langlebigkeit.

Wie lässt sich diese Langlebigkeit erreichen?

Matteo Thun: Durch Einfachheit. Einfachheit ist für uns die wichtigste Qualität in der Architektur, in der Innenarchitektur und im Design.

Wenn Sie Wohnarchitektur entwerfen, worauf legen Sie am meisten Wert?

Antonio Rodriguez: Wir kümmern uns um alles, vom großen Ganzen bis zum Detail. Vom Gebäude bis zur Türklinke. Dabei denken wir immer an die Menschen, die sich in dem Gebäude aufhalten werden.

Folgen Sie dabei bestimmten Designprinzipien?

Matteo Thun: Wir glauben an die Strategie des Holistischen, des Ganzheitlichen. Ein Konzept, mit dem wir die Herausforderungen eines Projekts zu verstehen versuchen – vom ganz großen bis zum ganz kleinen Maßstab. Wir wollen uns nicht auf einen Maßstab beschränken.

Wie kommt dabei die Perspektive der Nutzer ins Spiel?

Matteo Thun: Da zitiere ich gerne Goethe: „Mit den Augen greifen, mit den Fingern sehen.“ Was immer Menschen berühren, ob mit den Augen oder mit den Fingern, darauf richten wir unsere Aufmerksamkeit. Wir nennen diese Strategie „Hi-Touch“.
Antonio Rodriguez: Die Beschaffenheit der Oberflächen ist sehr wichtig, in der Architektur wie im Design.

Welche Oberflächen vermeiden Sie in Ihren Projekten lieber?

Antonio Rodriguez: Vermeiden? Am ehesten vielleicht Kunststoffe. Aber auch wenn wir Kunststoffe nicht so gerne mögen, gerade bei Möbeln, sind sie manchmal die beste Lösung. Die Welt ist eben nicht schwarz-weiß.

Aber grundsätzlich bevorzugen wir natürliche Materialien wie Holz, Stein oder Metalle.
Matteo Thun: Wir setzen Kunststoffe nur ungern ein, weil es bekanntlich so lange dauert, sie abzubauen. Das gilt für recyceltes Plastik übrigens genauso wie für neues. Aber manchmal braucht man es aus hygienischen Gründen trotzdem.

Holz gehört zu Ihren bevorzugten Werkstoffen. Es ist zwar ein nachwachsender Rohstoff, aber die Ressourcen sind dennoch begrenzt.

Matteo Thun: Wir verwenden nur so viel Holz, wie wieder nachwachsen kann, etwa durch Aufforstung. Rund 90 Prozent unseres Holzes stammt von Laubbäumen.
Antonio Rodriguez: Wir arbeiten lediglich mit ausgewählten Lieferanten zusammen. Sowohl in der Architektur als auch im Design nutzen wir ausschließlich Hölzer mit Zertifizierung.

Und wie steht es mit dem Einsatz von regionalen oder lokalen Materialien und Produkten?

Matteo Thun: Das ist für uns selbstverständlich. Aber wir vertrauen nicht auf Labels wie DGNB oder LEED. Wir orientieren uns an dem Standard ‚Triple Zero‘, also null Kilometer, null CO2, null Abfall.

Haben Sie jemals einen Auftrag für ein Gebäude oder ein Produkt abgelehnt, weil er nicht mit Ihren Prinzipien vereinbar war?

Matteo Thun: Unsere Arbeit gründet immer auf menschlichen Beziehungen. Wenn wir einem potenziellen Partner nicht vertrauen können, arbeiten wir nicht mit ihm.
Antonio Rodriguez: Aber zu dieser Situation kommt es eigentlich nie. Zum Glück haben wir sehr gute Auftraggeber.

Wie kam die Zusammenarbeit mit FSB zustande?

Antonio Rodriguez: FSB kam auf uns zu. Das hat uns sehr gefreut, weil wir das Unternehmen gerne mögen! Ein deutsches Unternehmen, das deutsche Qualität liefert. Außerdem arbeiten wir an vielen Architekturprojekten in Deutschland. Für uns ist FSB ein perfekter Partner.
Matteo Thun: Und wir lieben das Grafikdesign des Katalogs von Otl Aicher. Das ist uns sehr wichtig!
Antonio Rodriguez: Die Zusammenarbeit war einfach. FSB hat genau verstanden, wohin wir mit dem Design wollten.

Was macht denn Ihren Entwurf für FSB 1285 aus?

Antonio Rodriguez: Die Idee war Normalität und Neutralität. Wir wollten ein Produkt schaffen, das nicht stört oder ablenkt.
Matteo Thun: Wir wollten kein Designstatement abgeben. Das Design sollte so unsichtbar wie möglich werden. Wenn Sie eine Tür öffnen, wollen Sie einen neuen Raum erleben, nicht ein heroisches Designstatement in Form einer Klinke.

Was macht die Gestaltung eines so kleinen, bescheidenen Objekts wie die Türklinke so interessant?

Matteo Thun: Eine Türklinke ist ein wesentlicher Bestandteil der Architektur. In dem Moment, in dem Sie ein Gebäude betreten, berühren Sie als erstes eine Türklinke.

Welchen Eindruck soll Ihre Klinke bei den Nutzern hinterlassen?

Antonio Rodriguez: Weichheit. Wärme. Sie sollte sich auf keinen Fall aggressiv anfühlen.

Mittlerweile gibt es viele verschiedene Materialien und Oberflächenveredelungen für Tür- und Fenstergriffe.

Antonio Rodriguez: Farben sind heute wichtig. Der kalte, metallische Look liegt gerade nicht so sehr im Trend. Persönlich mag ich Bronze am liebsten. Und Messing!

Bronze und Messing sind Metalle, die mit der Zeit eine schöne Patina bekommen.

Matteo Thun: Patina ist sehr wichtig! Deswegen lieben wir Holz auch so sehr. Seine Oberfläche wird mit der Zeit immer schöner. Ganz anders als Beton, der nach ein oder zwei Generationen ziemlich scheußlich aussehen kann.