Rathaus Freiburg
ingenhoven architects
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Das öffentliche Gebäude als Energielieferant
Das Projekt von ingenhoven architects im Freiburger Stadtteil Stühlinger ist nicht nur aufgrund seiner runden Formen und den Fassaden aus heimischem Lärchenholz ein Hingucker, das wirklich Besondere ist: Dem Architekturbüro ist mit dem 2017 eröffneten Neubau des Freiburger Rathauses das erste öffentliche Gebäude weltweit gelungen, dass mehr Energie generiert als es selbst verbraucht. Als Plusenergiehaus versorgt es sich aus regenerativen Quellen mit Energie zum Heizen, Kühlen, Lüften und Beleuchten und ist damit auch ein politisches Statement der Stadt für den Klimaschutz. Die Nachhaltigkeit des Baus setzt jedoch noch eher an, denn die Stadt will die bisher auf unterschiedliche Standorte in der Stadt verteilten Mitarbeitenden nun an einem Standort versammeln. Zudem ist im ersten Bauabschnitt auch bereits der neue Kindergarten entstanden, sodass insgesamt viele zuvor notwendigen Pendlerfahrten wegfallen. Das Bauprojekt besteht aus mehreren Bauphasen.
Nach den bereits realisierten Gebäuden für Rathaus und Kindergarten sind im Zuge einer zweiten Baustufe weitere ovale Gebäude für administrative Funktionen der Stadt vorgesehen. Das als Ensemble geplante neue Areal ist im Freiburger Stadtteil Stühlinger auch als Impuls für eine städtebauliche Aufwertung gedacht. Wie ein „Grüner Campus“ fügen sich die Gebäude zusammen und dabei in die bestehende Umgebung zwischen Eschholzpark und Universitätsklinikum ein. Durchblicke und Wegeverbindungen prägen den neuen Ort, sorgen für gute interne Wegenetze, aber auch für Vernetzung mit der umliegenden Stadt. Die runden, fließenden Formen der Architektur schaffen dafür Raum. Das ovale Bürogebäude umschließt einen inneren, von zwei Glaskuppeln belichteten Bereich. Die kreisrunde Kita hingegen ist umgeben von einem umlaufenden, von vertikalen Lamellen aus lokalem Lärchenholz gefassten Laubengang.
Die Fassade des sechsgeschossigen Rathauses zeigt die energetischen Ansprüche des Gebäudes auch nach außen. Die vertikalen Lisenen sind hier mit Photovoltaikmodulen und hochwertiger Wärmedämmung besetzt und passen sich in ihrer aus dem Gebäude gedrehten Ausrichtung dem Sonnenstand an. Rund 60 % der rund 4.000 qm Solarmodule des Gebäudes sind jedoch auf dem Dach verbaut. Neben Photovoltaik sind hier auch PVT-Hybridmodule verlegt, die nicht nur Strom, sondern auch Warmwasser für Küche und Kantine erzeugen. Das Energiekonzept nutzt einen Grundwasserbrunnen und zwei Wärmepumpen zur Wärmeregulierung, ergänzt durch einen Gasbrennwertkessel. Im Sommer werden die Gebäude bei Bedarf mit Grundwasser gekühlt. Wärme wie Kälte gelangen über Bauteilaktivierung in die Räume und lassen sich für jedes Büro einzeln regulieren. Weitere Elemente der energetischen Konzeption sind ein außenliegender Sonnenschutz, Dreifachverglasung, Heizkühlsegel, mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung.
Architektur und Objekt
Foto: Jim Rakete
„Unser Büro gilt weltweit als Vorreiter von ökologisch und konzeptionell zukunftsorientierten Gebäuden. Die „Green City“ Freiburg hat gemeinsam mit uns einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit getan. Gemeinsam haben wir ein öffentliches Gebäude mit ehrgeizigem Energiekonzept und elegantem Design realisiert, das Vorbildcharakter hat,“ so der Architekt Christoph Ingenhoven in der Erläuterung seines Entwurfs für das neue Freiburger Rathaus.
Eine runde Sache
Alle Dienstleistungs- und Beratungsangebote der Stadt finden die Bürgerinnen und Bürger im Erdgeschoss des Neubaus in großen hellen Räumlichkeiten, die durch die zwei Lichtkuppeln ein besonderes Raumerlebnis bieten. Hier ist das Herzstück des neuen Rathauses, das neben dem Bürger-Servicezentrum auch Konferenzräume und ein Mitarbeiterrestaurant umfasst. Bis zu 1.000 Kunden am Tag nutzen die lichtgefluteten Innenräume. Auch hier sind runde, fließende Formen prägend.
Weiße Säulen verteilen sich im Raum, gebogene Trennwände schirmen die unterschiedlichen funktionalen Bereiche voneinander ab und sorgen für Privatsphäre und Ruhe. Den Mittelpunkt bilden als Rotunden gestaltete Service-Inseln, an denen die Kund:innen Mitarbeiter:innen für längere Beratungen treffen können. Flache Hierarchien, Offenheit und Transparenz waren der Stadt Freiburg im ausgeschriebenen Wettbewerb wichtig.
Die über dem Erdgeschoss ringförmig gestapelten Geschosse dienen den unterschiedlichen Ämtern der Stadtverwaltung und bieten eine Mischung aus geschlossenen Einzel- und Zweierbüros und großräumigen Büros, die Teamarbeit und flexible Arbeitsstrukturen begünstigen. Der Einsatz von variablen Glas-Systemtrennwänden schafft frei einteil- und veränderbare Grundrisse. Verschiedene Interaktionsbereiche, die sich im gesamten Gebäude verteilen, fördern die Kommunikation zwischen den insgesamt 840 Mitarbeiter:innen. Auch hier sind die Räume durch die fließenden Formen des Gebäudegrundrisses geprägt.
Die sich ergebenden Wege im Haus sind transparent geplant und erschließen sich intuitiv. Die vertikale Fassadenstruktur, die sich im Inneren des Gebäudes zum Lichthof hin wiederholt, schafft im gesamten Gebäude helle Räume und prägt mit den vielen Ausblicken nach draußen die Arbeitsatmosphäre.
Mit dem Modell FSB 1078 stand dem Büro ingenhoven architects ein eigens von Christoph Ingenhoven designter Griff zur Verfügung. Das Design bezieht seine Grundidee aus einem Griff-Klassiker von Robert Mallet-Stevens, der als Modell 1076 im Programm von FSB zu finden ist. Ingenhoven interpretiert das sogenannte „Frankfurter Modell“ neu, indem er Gehrung und Handhabe in ihrer Form variiert. Besonders reizvoll ist der Übergang von der runden Form des Drückerhalses hin zur flach geformten Handhabe gelöst. Verbaut ist das Modell in unterschiedlichsten Varianten, als Türdrücker- (FSB 72 1078 61310, FSB 79 1088 91310) und WC-Garnitur (FSB 72 1078 61954), runder Türknopf mit ovaler Rosette (FSB 070829 228), Fenstergriff (FSB 34 1078 008) oder Glastürbeschlag (FSB 13 4224 05210). Für ihren besonderen Entwurf des neuen Freiburger Rathauses wurden ingenhoven architects unter anderem mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2019 ausgezeichnet.
Objektdetails
Fotos: © ingenhoven architects / HGEsch